Der zugeteilte Rentner (German Edition)
gibt keinen Grund sich aufzuregen! Ich glaube nicht, dass sie diese Hausordnung aufgehängt hat.“
„Nur sie kann es gewesen sein!“ zischte die Russin. „Sie hat kein Haustier! Außerdem kann sie Tiere nicht leiden. Das hat sie selbst gesagt.“
„Und das hier?“
Maximilian öffnete ein wenig die Tür und sein Dackel kam heran getrottet. Er setzte sich neben Maximilian und blickte mit seinen großen Augen nach oben. Dann hob er seine linke Hinterläufe und leckte sich seine Geschlechtsteile.
„Ist der süß!“
Clara blieb im Sicherheitsabstand, sie schlich zur Küche, denn dort standen die schweren Sachen mit denen sie sich notfalls wehren könnte: ein Brotmesser, eine verrostete Pfanne, ein Hammer und ein altes Bügeleisen, das sie schon mal auf Baumwoll-heiß schaltete.
„Der ist so süß!“ meinte nun die dritte Frau, die während der Diskussion geschwiegen hatte. „Ist das Ihr Dackel?“
„Ja! Das ist mein Hund! Und wenn Frau Januszewski diese falsche Hausordnung aufgehängt hätte, dann müsste ich doch auch ausziehen, oder?“
Die drei Frauen blickten sich gegenseitig an – die Erklärung schien ihnen logisch.
„Es tut uns leid!“ meinte die Russin und nickte Clara zu, die eine nichts sagende Geste machte, so als wäre das alles halb so schlimm: die Jagd durchs Treppenhaus, die Beschimpfungen, die Sachen, die sie ihr nachgeworfen hatten.
„Dann war das vielleicht der Kanake von oben!“, zischte die Russin. „Dieser Nichtsnutz!“
„Oder der Belgier!“, die Zweite.
„Oder der Schwarze!“
„Sie werden ihren Schuldigen schon finden“, sagte Maximilian und drückte langsam die Tür zu. „Da bin ich mir sicher.“
Selbst als die Tür verschlossen war, hörte Clara die Frauen noch. Sie unterhielten sich darüber, wem sie als nächstes einen Besuch abstatteten. Erst mit dem Aufzug verschwanden auch die Stimmen.
Maximilan ging zurück zu seiner Couch und setzte sich, Clara folgte ihm mit kleinen Schritten. Jetzt schuldete sie ihm einen großen Gefallen. Das machte ihre Situation nur schlimmer.
„Danke!“
„Sie hätten das nicht tun müssen!“
„Was?“
Maximilian streckte sich auf der Couch. Erst jetzt erkannte sie, dass er seinen Koffer bereits gepackt hatte, sein Mantel hing drüber und auf dem Wohnzimmertisch standen auch keine Pillendosen mehr. Alles fertig zur Abreise. Die Wohnung sah wie vor seinem Einzug aus. Clara wurde nervös, tippelte mit ihren Füßen und kratzte sich an den Händen.
„Es ist schon gut. Ich werde gehen.“
„Sie denken doch nicht, dass ich dahinter stecke?“
Maximilian sah sie lange an, ohne ein einziges Wort zu sagen. Wieder einmal spielte er mit ihr, er konnte einfach nicht damit aufhören.
„Sie haben Recht! Zufrieden? Der Aushang stammt von mir.“
Doch er blieb ruhig, regte sich überhaupt nicht auf. Kein Anzeichen einer Kränkung.
„Warum haben sie das getan? Nur, damit ich ausziehe? Ich dachte, wir würden uns verstehen.“
„Sie wollten doch nicht gehen. Ich habe Ihnen ständig gesagt, dass ich alleine leben will. Und im Übrigen: Wer hat denn hier gelogen? Ich habe Ihren Steckbrief gefunden! Sie sind ein Betrüger! Aber mir machen Sie Vorwürfe, dass ich Sie raus haben wollte.“
Es dauerte, bis er ihre Worttiraden verarbeitet hatte, er dachte nach und dachte nach, dann zuckte er mit den Schultern.
„Ich schätze, wir sind quitt!“
„Sieht so aus!“
Maximilian schaute aus dem Fenster, beobachtete die Vögel, die vorbei flogen, die Wolken, die sich über den Himmel erstreckten, die Menschen, die sich hinter den Fenstern verteckten. Ein kleiner Sonnenstrahl brach durch die Wolken, traf auf das Fensterglas eines gegenüberliegenden Gebäudes und sprang von dort in ihr Apartment. Maximilian kniff die Augen zu, um nicht geblendet zu werden. Clara wollte etwas sagen. Aber was? Stattdessen starrte sie auf ihre Hände. Lang und sehnig waren sie, die perfekten Hände, wenn man als Chirurg arbeiten wollte. Draußen kreischten die Reifen eines Autos, klang wie ein Kindergeschrei, dann fuhr der Wagen weiter. Ein Mann brachte die Mülltonnen auf die Straße, die Plastikräder polterten auf den Steinen, so dass einige Leute aus ihren Fenstern schauten. Clara saß auf dem Wohnzimmerboden. Maximilian atmete lang und tief aus. Es gab nichts zu sagen.
Irgendwann klingelte es an der Tür. Frau Aschenbach von der Deutschen Rentenversicherung erschien mit einem großen breitschultrigen Pfleger.
„Wir sind hier, um den Rentner abzuholen.“
Clara konnte nichts
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