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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der letzten Baumgruppe verschwinden sah, gab er einen Seufzer der Erleichterung von sich.
    »Aber Herr Oberst sind ja selbst auch verwundet!« rief Maurice plötzlich.
    Er hatte gesehen, daß der linke Stiefel seines Vorgesetzten mit Blut bedeckt war. Der Hacken mußte abgerissen sein, und ein Stück des Schaftes war in das Fleisch eingedrungen.
    Herr von Vineuil bog sich ruhig im Sattel seitwärts und sah seinen Fuß, der ihm brennend am Bein hängen mußte, einen Augenblick an.
    »Ja, ja,« sagte er leise. »Das habe ich eben weggekriegt ... Das macht nichts, ich kann mich noch auf dem Gaule halten ...«
    Und indem er an seinen Platz an der Spitze des Regiments zurückkehrte, setzte er hinzu:
    »Wenn man beritten ist, geht's immer noch, solange man sich auf dem Gaule halten kann.«
    Endlich kamen nun die beiden Batterien Reserveartillerie heran. Für die ängstlich gewordenen Leute war das ein Riesentrost, als bedeuteten diese Geschütze für sie einen rettenden Wall, den Blitz, der nun die feindlichen Geschütze da hinten zum Schweigen bringen würde. Der genaue Aufmarsch der Batterien in ihre Gefechtsstellungen war übrigens prachtvoll, wie jedes Geschütz von seinem Munitionswagengefolgt wurde, die Stangenreiter auf den Sattelpferden saßen und die Handpferde am Zügel führten, wie die Bedienung auf den Protzkasten saß und Unteroffiziere und Wachtmeister auf den vorgeschriebenen Plätzen heransausten. Man hätte glauben sollen, sie wären bei einer Parade und dächten nur daran, ihren Abstand innezuhalten, als sie so in tollster Gangart über die Stoppelfelder mit dem dumpfen Tosen eines Gewitters herankamen.
    Maurice, der sich wieder in eine Furche gelegt hatte, stand auf und rief Jean begeistert zu:
    »Sieh, die Batterie, die sich da drüben links aufstellt, das ist Honoré seine. Ich kenne die Leute wieder.«
    Jean hatte ihn bereits mit der umgekehrten Hand wieder zu Boden geworfen.
    »Bleib' doch liegen und stell' dich tot!«
    Aber alle beide legten sie die Backe an die Erde und verloren die Batterie nicht mehr aus den Augen; sie nahmen mächtigen Anteil an ihren Bewegungen, und ihr Herz schlug höher, als sie die mutige, ruhige Geschäftigkeit der Leute sahen, von der sie noch den Sieg erhofften.
    Die Batterie kam plötzlich links auf einer kahlen Anhöhe zum Halten; es war Sache einer Minute, die Bedienung sprang von den Protzkasten, hakte die Protzen ab, die Stangenreiter brachten die Geschütze in Stellung und ließen ihre Tiere einen Halbkreis machen, um sie fünfzehn Meter weiter nach hinten zu bringen, wo sie unbeweglich, mit dem Gesicht dem Feinde zu, halten blieben. Schon waren die sechs Geschütze in weiten Abständen voneinander gerichtet; sie standen zu je drei unter dem Befehl eines Leutnants, alle sechs zusammen aber unter dem eines langen, mageren Hauptmannes, der die Ebene verdrießlichüberschaute. Nachdem er rasch seine Berechnung gemacht hatte, hörten sie ihn rufen:
    »Visier sechzehnhundert Meter!«
    Das Ziel mußte wohl die preußische Batterie links von Fleigneur sein, die im Gebüsch verborgen stand und mit ihrem furchtbaren Feuer den Kalvarienberg von Illy unhaltbar machte.
    »Siehst du,« fing Maurice, der nicht schweigen konnte, seine Erklärung wieder an, »Honorés Geschütz steht in der mittleren Abteilung. Da beugt er sich mit dem Richtkanonier vor ... Das ist der kleine Louis, der Richtkanonier: in Vouziers haben wir doch einen mit ihnen genommen, weißt du noch? ... Und da hinten links der Stangenreiter, der so steif auf seinem Sattelpferde sitzt, dem prachtvollen Fuchs, das ist Adolf ...«
    Das Geschütz mit seinen sechs Mann Bedienung und dem Wachtmeister, ferner der Protze und ihren vier Pferden und den beiden Fahrern, weiter weg dem Munitionswagen mit seinen sechs Pferden und den drei Fahrern, dann dem Vorratswagen und der Schmiede, dieser ganze Schwanz von Menschen, Tieren und Geräten erstreckte sich über annähernd hundert Meter in einer geraden Linie nach rückwärts; dabei waren die Ersatzmannschaften, die Aushilfswagen und die Pferde und Mannschaften, die zum Stopfen vorkommender Lücken bestimmt waren, noch gar nicht mitgezählt; sie hielten rechts, um der Schußlinie des Feuers nicht unnötig ausgesetzt zu sein. Honoré beschäftigte sich mit dem Laden seines Geschützes. Die beiden mittleren Bedienungsmannschaften kamen schon mit der Kartusche und dem Geschoß wieder von der Protze zurück, bei der der Unteroffizier und der Feuerwerkeraufpaßten; und sofort

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