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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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vor allen bei Honorés Geschütz nahmen die Arbeiten ihren ruhigen, hartnäckigen Fortgang. Trotz seiner Tressen tat er selbst alle Handreichungen, denn er hätte nur noch drei Mann als Bedienung. Er richtete, zog die Schlagröhre ab, während die drei zum Munitionswagen gingen, luden und Wischer und Ladestock handhabten. Es waren Ersatzmannschaften und Pferde zum Stopfen der durch den Tod gerissenen Lücken verlangt worden; da es aber sehr lange dauerte, bis die kamen, mußten sie allein fertig werden. Ihre größte Wut war, daß sie noch immer nicht hinreichten, daß ihre Granaten fast alle schon in der Luft platzten, ohne in den schrecklichen Batterien des Gegners, deren Feuer so sehr wirksam war, viel Unheil anzurichten. Plötzlich stieß Honoré einen Fluch aus, der selbst den Lärm der Entladung übertönte: zu allem Unglück war ihm nun auch noch das rechte Rad seines Geschützes zerschmettert. Gottsdonnerwetter! mit einer zerbrochenen Pfote lag das arme Teufelstier mit der Nase auf der Erde, auf der Seite, krummbeinig und zu nichts mehr nutze. Er weinte dicke Tränen und nahm die Mündung zwischen seine unsicher zitternden Hände, wie um es lediglich durch seine warmherzige Zärtlichkeit wieder aufzurichten. Das Geschütz, das das beste von allen war, dem es allein gelungen war, ein paar Granaten dort hinten hinzusenden! Da kam ein närrischer Entschluß über ihn, nämlich der, das Rad sogleich im Feuer zu ersetzen. Mit einem seiner Leuteging er selbst auf den Vorratswagen los, um ein Ersatzrad auszusuchen, und das Gewaltmanöver begann, das gefährlichste, das auf dem Schlachfelde ausgeführt werden kann. Glücklicherweise waren endlich die Ersatzmannschaften und Pferde gekommen, und zwei neue Bedienungsmannschaften konnten ihm zur Hand gehen.
    Indessen wurde die Batterie noch einmal zurückgenommen. Dies verrückte Heldentum ließ sich aber nicht weiter treiben. Es wurde ihnen der Befehl zum endgültigen, Rückzug zugeschrien.
    »Vorwärts, Kameraden!« wiederholte Honoré, »wir wollen sie wenigstens mitnehmen, und die da sollen sie nicht kriegen!«
    Das war sein einziger Gedanke, das Geschütz mitzunehmen, wie man die Fahne rettet. Er sprach noch, als er wie vom Blitz zerschmettert wurde; der rechte Arm wurde ihm abgerissen, und die linke Seite ganz aufgeschlitzt. Er fiel über sein Geschütz und blieb dort wie auf einem Paradebett liegen, das Gesicht unentstellt und schön in seinem Zorn, dem Feinde dort hinten entgegen gewendet. Aus seinem zerrissenen Uniformrock glitt ein Brief heraus, seine verkrampften Finger hielten ihn umfaßt, und tropfenweise fiel sein Blut darauf nieder.
    Nur der Leutnant war noch nicht tot und schmetterte nun den Befehl heraus:
    »Protzen vor!«
    Ein Munitionswagen war in die Luft geflogen und machte einen Lärm, als ob Feuerwerkskörper in Brand, geraten wären und platzten. Um ein Geschütz zu retten, dessen ganze Bespannung am Boden lag, mußten sie ihre Zuflucht dazu nehmen, es mit den Pferden eines andern Munitionswagenszu bespannen. Als diesmal die Fahrer ihren letzten Halbkreis geschlagen hatten und die noch übriggebliebenen vier Geschütze wieder aufgeprotzt waren, ging es im Galopp davon, und sie kamen erst hinter den ersten Bäumen des Garennegehölzes wieder zum Halten.
    Maurice hatte alles mit angesehen. In seiner Stimme lag ein leichtes, schreckhaftes Zittern, als er ein paarmal ganz ohne Nachdenken sagte:
    »Ach, der arme Kerl, der arme Kerl.«
    Dieser Kummer vermehrte scheinbar die Schmerzen, die ihm den Magen zerwühlten. Das Tier in ihm verlangte sein Recht; er war am Ende seiner Kräfte und starb vor Hunger. Sein Blick trübte sich und er empfand gar nicht mehr die Gefahr, in der sich das Regiment befand, seitdem die Batterie sich hatte zurückziehen müssen. Von einer Minute zur andern konnten beträchtliche Kräfte die Hochebene angreifen.
    »Hör' mal,« sagte er zu Jean, »ich muß etwas essen ... Ich will etwas essen, und wenn ich auf der Stelle fallen sollte!«
    Er öffnete seinen Tornister und riß mit zitternden Händen das Brot heraus, in das er nun voller Begierde hineinbiß. Die Kugeln pfiffen um ihn herum, ein paar Granaten platzten wenige Meter von ihm, aber all das war für ihn gar nicht da, nur sein Hunger verlangte Befriedigung.
    »Willst du auch was, Jean?«
    Der sah ihn stumpfsinnig mit großen Augen an; sein Magen war von ganz derselben Gier zerrissen.
    »Ach ja, ich möchte auch schon was, mir ist zu schlecht.«
    Sie teilten das Brot und

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