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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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der Träger lag mit aufgerissener Seite da. Da kam eine andere fleißige Ameise heran, wendete ihren toten Kameraden um und untersuchte ihn, nahm dann den Verwundeten an ihren Hals und brachte ihn fort.
    Jetzt neckte Maurice Lapoulle wieder.
    »Na, wenn das Geschäft dir besser gefällt, dann geh' doch hin und hilf ihnen!«
    Seit ein paar Augenblicken wüteten die Batterien von Saint-Menges mit zunehmendem Geschoßhagel; schließlich ging Hauptmann Beaudouin, der bis dahin fortwährend nervös vor seiner Kompanie auf und ab gegangen war, auf den Oberst zu. Es wäre doch ein Jammer, den Mut der Leute derart stundenlang zu vergeuden, ohne sie zu verwenden.
    »Ich habe keinen Befehl«, entgegnete der Oberst voller Gemütsruhe.
    Sie sahen General Douay abermals von seinem Stabe gefolgt vorbeigaloppieren. Er hatte gerade General Wimpffen wieder getroffen, der ihn flehentlich bat, auszuhalten, und das hatte er geglaubt zugestehen zu können, aber nur unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der Kalvarienberg von Illy zu seiner Rechten verteidigt werde. Ginge die Stellung von Illy verloren, so übernehme er keine weitere Verantwortung, denn der Rückzug müsse ihm zum Verhängnis werden. General Wimpffen erklärte, daß bereits Truppen des ersten Korps im Begriff seien, den Kalvarienberg zu besetzen; tatsächlich sahen sie fast im selben Augenblick ein Zuavenregiment sich dort einnisten, und nun fühlte sich GeneralDouay wieder sicherer und gab seine Einwilligung, die Division Dumont dem arg bedrängten ersten Korps zu Hilfe zu schicken. Als er aber eine Viertelstunde später die Festigkeit seines linken Flügels aufs neue feststellen wollte, schrie er laut auf, als er in die Höhe sah und den Kalvarienberg leer fand: kein Zuave mehr da, die Hochebene, die das Höllenfeuer der Batterien von Fleigneur übrigens auch unhaltbar machte, geräumt. Verzweifelt sah er das Unglück nun kommen und eilte zu seinem rechten Flügel hinüber, aber nur, um in die Flucht der Division Dumont hineinzugeraten, die sich in kopfloser Auflösung, mit den Truppen des ersten Korps durchsetzt, zurückzog. Dieses letztere hatte nach seinem Rückzug am Morgen die verlorenen Stellungen nicht wieder nehmen können und hatte Daigny dem zwölften sächsischen Korps und Givonne der preußischen Garde überlassen müssen, wobei es gezwungen wurde, sich nördlich unter dem Feuer der überall auf den Höhenzügen am ganzen Talgrunde entlang aufgestellten feindlichen Batterien durch das Garennegehölz hinaufzuziehen. Der schreckliche Kreis von Eisen und Flammen verengerte sich, ein Teil der Garde setzte seinen Marsch auf Illy von Osten nach Westen fort, indem er die Höhen umging; hinter dem elften Korps dagegen, das sich Saint-Menges bemächtigt hatte, setzte das fünfte seinen Weg von Westen nach Osten fort, durchschritt Fleigneur und schob seine Geschütze mit geradezu unverschämter Tollkühnheit unaufhaltsam weiter vor, als sei es von dem Unverstand und der Ohnmacht der französischen Truppen so überzeugt, daß es gar nicht erst die Unterstützung seiner Infanterie abzuwarten brauche. Es war Mittag, der ganze Horizont stand in Flammen und lenkte sein donnerndes Kreuzfeuer auf das siebente und erste Korps.
    Während nun die feindliche Artillerie den entscheidenden Angriff auf den Kalvarienberg vorbereitete, entschloß sich General Douay, einen letzten Versuch zu seiner Wiedereroberung zu unternehmen. Er traf seine Anordnungen und warf sich persönlich den Flüchtlingen der Division Dumont entgegen, so daß es ihm auch wirklich gelang, eine Abteilung zu bilden, die er wieder auf die Hochebene jagte. Ein paar Minuten hielt sie sich hier tapfer; aber die Kugeln pfiffen so dicht und ein derartiger Gewittersturm von Granaten fegte, über die nackte, baumlose Ebene, daß sich sofort eine Panik bemerkbar machte und die Leute wie vom Gewitter überfallenes Stroh über die Abhänge herunterrollten. Der General aber versteifte sich auf sein Vorhaben und führte neue Regimenter vor.
    Ein im Galopp vorbeijagender Meldereiter rief dem Oberst von Vineuil in dem tosenden Lärm einen Befehl zu. Schon richtete der Oberst sich mit glühendem Gesicht in den Bügeln auf; und mit einer mächtigen Bewegung wies er auf den Kalvarienberg:
    »Endlich kommen wir dran, Kinder! ... Vorwärts, dort hinauf!«
    Die 106er fühlten sich hingerissen und setzten sich in Bewegung. Die Kompanie Beaudouin war als eine der ersten aufgesprungen; die Leute scherzten und meinten, sie wären

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