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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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eine Minute still hinter der Hecke stehen. Aber anstatt sie zu beruhigen, verbrannte der Branntwein ihnen nur den Magen. Dieser Rußgeschmack im Munde war zum Verzweifeln. Sie kamen geradezu um vor Erschöpfung und hätten zu gern von dem halben Brot abgebissen, das Maurice im Tornister hatte; allein wie war das möglich? Hinter ihnen trafen immer mehr Leute ein und drängten sie weiter vorwärts. Mit einem Satze kamen sie endlich über den letzten Teil des Abhanges. Nun waren sie oben, unmittelbar am Fuße des alten, von Wind und Regen zernagten Kreuzes zwischen den beiden mageren Linden.
    »Ha, gut Blut, da sind wir!« rief Jean. »Aber die Hauptsache ist nun, daß wir hier auch bleiben!«
    Er hatte recht, der Platz war nicht gerade angenehm, wie Lapoulle mit klagender Stimme zum Vergnügen der ganzen Kompanie bemerkte. Von neuem streckten sich alle in einemStoppelfelde hin; aber trotzdem wurden sofort drei Leute getötet. Da oben blies geradezu ein entfesselter Orkan; die Geschosse kamen so zahlreich von Saint-Menges, Fleigneur und Givonne herüber, daß die Erde wie unter einem heftigen Gewitterregen zu stäuben schien. Augenscheinlich war die Stellung nicht lange zu halten, wenn nicht so bald wie möglich Artillerie zur Unterstützung der so tollkühn eingesetzten Truppe erschien. Es hieß, General Douay hätte zwei Batterien Reserveartillerie Befehl zum Vorgehen gegeben; alle Sekunden drehten sich die Leute ängstlich in Erwartung der Geschütze um, die nicht kommen wollten.
    »Lächerlich ist das ja, lächerlich!« sagte Hauptmann Beaudouin immer wieder, nachdem er sein hastiges Hin- und Hergehen wieder aufgenommen hatte. »So jagt man doch kein Regiment in die Luft, ohne es sofort zu unterstützen.«
    Als er dann links von sich eine Geländefalte entdeckte, rief er Rochas zu:
    »Sagen Sie, Herr Leutnant, die Kompanie könnte sich doch da niederlegen.«
    Rochas stand unbeweglich und zuckte die Achseln.
    »Oh, Herr Hauptmann, hier oder da, einerlei, die Geschichte ist ganz dieselbe. Am besten ist's noch, man rührt sich nicht von der Stelle.
    Nun wurde der Hauptmann Beaudouin, der sonst nie fluchte, wütend.
    »Aber mein Gott nochmal, wir bleiben hier ja alle! Wir brauchen uns doch nicht derartig vernichten lassen!«
    Dabei blieb er und wollte sich persönlich davon überzeugen, ob die von ihm angegebene Stellung nicht besser sei. Aber kaum hatte er zehn Schritte getan, als er plötzlich in einer Sprengwolke verschwand, die ihm das rechte Bein zerschmetterte.Er fiel auf den Rücken nieder und stieß einen scharfen Schrei aus wie eine Frau in der Überraschung.
    »Das war sicher,« murmelte Rochas. »Hat keinen Zweck, so viel herumzulaufen; was einer wegkriegen soll, das kriegt er schon.«
    Ein paar Leute der Kompanie erhoben sich, als sie ihren Hauptmann fallen sahen; und als er sie zu Hilfe rief und sie bat, ihn wegzubringen, lief schließlich Jean auch hin, und Maurice folgte ihm unmittelbar.
    »Um des Himmels willen, Freunde, laßt mich nicht im Stiche und bringt mich zum Verbandplatz.«
    »O ja, Herr Hauptmann, das ist nicht gerade so einfach ... Aber wir können es ja mal versuchen ...«
    Sie hatten schon verabredet, wo sie ihn anfassen wollten, als sie hinter der Hecke, an der sie entlanggekrochen waren, zwei Träger sahen, die offenbar auf Arbeit warteten. Sie gaben ihnen ein kräftiges Zeichen, das sie dann auch schließlich heranbrachte. Es konnte seine Rettung werden, wenn sie ohne weitere übele Abenteuer den Verbandplatz erreichten. Aber der Weg war lang und der Eisenhagel nahm noch zu.
    Als die Träger, nachdem sie das Bein fest umwickelt hatten, um es ruhig zu halten, den auf ihren verschlungenen Händen sitzenden Hauptmann davontrugen, der jedem von ihnen einen Arm um den Nacken gelegt hatte, kam der von dem Vorfall benachrichtigte Oberst von Vineuil heran, indem er sein Pferd antrieb. Er hatte den jungen Mann, den er sehr liebte, seit seinem Austritt aus Saint-Cyr gekannt und war jetzt sehr bewegt.
    »Mein lieber Junge, seien Sie tapfer ... Es wird wohl nichts sein, sie werden Sie schon retten ...«Der Hauptmann machte eine Bewegung, als ob er sich erleichtert und wieder ganz mutig fühlte.
    »Nein, nein, es ist aus, es ist mir auch lieber so. Nur das Warten auf das Unvermeidliche bringt einen zur Verzweiflung.«
    Die Krankenträger brachten ihn fort und hatten das Glück, ohne Zwischenfall die Hecke zu erreichen, an der sie nun mit ihrer Last schleunigst entlangliefen. Als der Oberst sie hinter

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