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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kopfe die steilen Abhänge von Remilly herabkamen. Während der Nacht hatte es reichlich geregnet, die Wege waren in Schlammströme verwandelt, und dicke graue Wolken liefen unendlich traurig über den Himmel.
    Prosper wollte einen möglichst kurzen Richtweg einschlagen und entschloß sich daher, durch Sedan zu gehen. Vor Pont-Maugis aber hielt ein preußischer Posten den Karren an und hielt ihn über eine Stunde auf; und nachdem der Erlaubnisschein durch die Hände von vier oder fünf Führern gelaufen war, konnte der Esel seinen Weg wieder aufnehmen unter der Bedingung, daß sie den weiten Umweg über Bazeilles machten, so daß sie einen nach links führenden Querweg einschlugen. Ein Grund wurde ihnen nicht angegeben; ohne Zweifel fürchtete man sich davor, die Stadt noch mehr zu belasten. Als Silvine auf der Eisenbahnbrücke über die Maas kam, diese verhängnisvolle Brücke, die zu sprengen vergessen worden war, die übrigens den Bayern teuer genug zu stehen kam, da sah sie den Leichnam eines Artilleristen mit der Strömung heruntertreiben, als ob er spazierenbummelte. Ein Strauch hielt ihn fest, einen Augenblick blieb er unbeweglich hängen, dann drehte er sich um sich selbst und trieb weiter.
    In Bazeilles, das der Esel von einem Ende zum andern im Schritt durchzog – so lautete die Vorschrift –, sahen sie die Zerstörung mit allem, was der Krieg im Vorüberziehen an scheußlichem Trümmerwerk hervorbringen kann, als Vernichter,als wütender Orkan. Die Toten waren schon aufgesammelt, auf dem Pflaster in der Stadt lag kein einziger Leichnam mehr; und der Regen hatte das Blut weggewaschen, aber die Pfützen blieben noch rot und wiesen verdächtige Überreste auf, Fetzen, an denen man noch Menschenhaar zu erkennen glaubte. Aber der Schrecken, der ihnen das Herz zusammenschnürte, rührte mehr von den Trümmern her, von den Trümmern jenes Bazeilles, das noch vor drei Tagen so lachend mit seinen fröhlichen Häusern inmitten ihrer Gärten gestanden hatte und nun zusammengestürzt, vernichtet dalag und nur noch von den Flammen geschwärzte Mauerflächen aufwies, ein riesiger Scheiterhaufen von rauchenden Balken. Mitten auf dem Platze brannte die Kirche immer noch, aus der fortwährend eine dicke schwarze Rauchsäule emporstieg, die sich am Himmel zu einem Trauerflor ausbreitete. Ganze Straßen waren verschwunden, nichts war weder von der einen noch der andern Seite mehr vorhanden, nichts als ein Haufen verbrannter Steine an den Straßenrinnen entlang, von einer Schmutzschicht aus Ruß und Asche bedeckt, einem dicken, tintenfarbigen, alles überziehenden Schlamm. An den vier Ecken der Straßenkreuzungen lagen alle Eckhäuser danieder, als wären sie von dem feurigen Wind, der hier durchgeweht war, mitgerissen worden. Andere hatten weniger gelitten, eins stand ganz vereinzelt aufrecht, während die Nachbarhäuser rechts und links wie vom Kugelregen zerhackt erschienen und ihr leeres Gebälk wie ein dürres Knochengerippe in die Luft streckten. Und ein unerträglicher Geruch strömte umher, der üble Gestank einer Feuersbrunst, besonders scharf infolge des in Strömen über die Dielen gegossenen Petroleums. Aber auch die stumme Verzweiflung über das, was die Leute hatten retten können, trug dazu bei,über den armseligen, aus den Fenstern geworfenen Hausrat, der zertrümmert auf den Fußsteigen umherlag, wacklige Tische mit zerbrochenen Beinen, Schränke mit offenen Seitenwänden und gespaltener Vorderseite, Leinen, das zerrissen und beschmutzt dalag, und alle sonstigen Überbleibsel der Plünderung, die so allmählich im Regen vergingen. Durch die offene Vorderseite eines Hauses sah man über die eingestürzten Fußböden hinweg eine Uhr wohlbehalten auf einem Kamin ganz oben an einer Wand stehen.
    »Ach, die Schweinehunde!« brummte Prosper vor sich hin, denn in ihm erhitzte sich das Blut des Soldaten, der er noch vorgestern gewesen war, als er all diese Scheußlichkeiten sehen mußte.
    Er ballte die Fäuste, und Silvine, die sehr blaß geworden war, mußte ihn bei jedem Posten, den sie auf dem ganzen Wege trafen, mit einem Blick beruhigen. Die Bayern hatten tatsächlich an alle noch brennenden Häuser Posten gestellt; und diese Leute schienen mit ihrem geladenen Gewehr und aufgepflanzten Bajonett den Brand zu bewachen, damit die Flamme ihr Werk vollenden könne. Mit drohender Miene und tiefen Kehllauten scheuchten sie lange stehenbleibende Neugierige weiter, aber auch die, die aus besonderer Teilnahme in der

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