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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Béthiniville, wo, wie es hieß, der Kaiser übernachtet hatte. Als sie auf der Straße nach Vouziers waren, fing die Ebene des gestrigen Tagemarsches wieder an, die Lause-Champagne entrollte weiter vor ihnen ihre armseligen Felder in verzweiflungsvoller Eintönigkeit. Jetzt lief der Arne, ein magerer Bach, zu ihrer Linken, während zur Rechten sich nacktesGelände in die Unendlichkeit ausdehnte und den Horizont durch seine flachen Linien erweiterte. Sie kamen durch Dörfer, Saint-Clément, dessen einzige Straße sich zu beiden Seiten des Weges dahinschlängelte, Saint-Pierre, ein fettes Nest von reichen Bauern, die ihre Türen und Fenster verrammelt hatten. Die Hauptrast fand gegen zehn Uhr bei einem andern Dorfe statt, Saint-Etienne, wo die Soldaten zu ihrer Freude noch etwas Tabak fanden. Das siebente Korps war in mehrere Säulen zerteilt, das 106. Regiment marschierte allein und hatte nur ein Bataillon Jäger und die Reserveartillerie hinter sich; aber Maurice drehte sich an den Wegebiegungen vergeblich nach dem Riesentroß um, der am Tage vorher seine Aufmerksamkeit so gefesselt hatte: die Heiden waren verschwunden, nur Geschütze rollten dahin, die auf der platten Ebene größer als in Wirklichkeit aussahen, wie dunkle, hochbeinige Heuschrecken.
    Hinter Saint-Etienne aber wurde der Weg scheußlich, in langen Wellen stieg er mitten durch unfruchtbare Felder an, auf denen nichts wuchs als ewige Fichtengehölze mit ihrem düstern Grün, das auf dem weißen Boden so traurig aussah. Durch eine derartige Öde waren sie noch nicht gekommen. Schlecht beschottert und von den letzten Regengüssen aufgeweicht, bildete der Weg ein reines Schlammbett von grauem, aufgelöstem Ton, in dem die Füße wie in Pech stecken blieben. Die Ermüdung stieg aufs äußerste, die Leute kamen vor Erschöpfung nicht mehr weiter. Und um den Ärger auf den Höhepunkt zu bringen, setzten jetzt Wolkenbrüche von erschreckender Heftigkeit ein. Die Artillerie blieb in dem Straßenkot stecken und mußte halten.
    Chouteau, der den Reis der Korporalschaft trug, geriet außer Atem und warf das Paket, dessen Last ihn drückte,voller Wut weg, als er sich unbeobachtet glaubte. Loubet hatte es aber gesehen.
    »Das ist nicht recht, so'ne Geschichte macht man nicht, dann können sich die Kameraden nachher das Maul wischen!«
    »Ach Quatsch!« antwortete Chouteau, »es ist ja doch alles da, sie werden uns nachher schon andern geben.«
    Und Loubet, der den Speck trug, fühlte sich durch diese Gründe überzeugt und erleichterte sich seinerseits.
    Maurice litt mehr und mehr an seinem Fuß, der Hacken mußte sich aufs neue entzündet haben. Er zog das Bein so schmerzhaft nach, daß Jeans Besorgnis wuchs.
    »Na, geht's nicht mehr, fängt es wieder an?«
    Als es dann eine kurze Rast gab, um die Leute verschnaufen zu lassen, gab er ihm einen guten Rat.
    »Ziehen Sie Ihren Schuh aus und gehen Sie barfuß, der kühle Dreck lindert das Brennen.«
    Tatsächlich konnte Maurice so ohne zu große Anstrengung mitkommen; ein tiefes Dankbarkeitsgefühl kam über ihn. Es bedeutete wirklich ein großes Glück für eine Korporalschaft, einen derartigen gedienten Korporal zu besitzen, der mit jeder Kleinigkeit des Dienstes Bescheid wußte: ein recht ungeschliffener Bauer augenscheinlich, aber trotzdem ein guter Kerl.
    Erst spät kamen sie in Contreuve an, wo sie biwakieren sollten, nachdem sie die Straße von Châlons nach Vouziers überschritten hatten und über einen steilen Abhang in die Schlucht der Semide hinabgestiegen waren. Die Landschaft wechselte; das waren schon die Ardennen. Und von den weiten, nackten Hügeln, die für das Lager des siebenten Korps ausgesucht waren und das Dorf beherrschten, sah man in der Ferne inden blassen Dunstschleiern der Regenströme verloren das Aisnetal.
    Um sechs hatte Gaude noch nicht zur Verteilung geblasen. Daher beschloß Jean, um sich zu beschäftigen, und im übrigen durch den immer heftiger werdenden Wind beunruhigt, das Zelt selbst aufzuschlagen. Er zeigte seinen Leuten, wie man einen schwach abfallenden Platz aussuchen, wie man die Pfähle schräg einschlagen und um die Leinwand herum einen Graben zur Ableitung des Wassers ausheben müsse. Maurice war wegen seines Fußes von jeder Arbeit befreit; er sah voller Überraschung über die kluge Geschicklichkeit dieses groben, so schwerfällig aussehenden Kerls zu. Er fühlte sich zwar von Müdigkeit ganz zerbrochen, aber doch wieder von der alle Herzen erfüllenden Hoffnung erhoben.

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