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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hatten, aber dann wieder auch welche, die mit großer Eßlust Gott weiß was für gute Sachen schmausten. Und was ihn anderseits wieder in Erstaunen versetzte, das war die schöne Ordnung der Reserveartillerie, die über ihm auf dem Hügel lagerte. Die Sonne schien bei ihrem Untergang zwischen zwei Wolken hindurch und lag auf den Geschützen, denen die Artilleristen schon den Schmutz des Weges abgewaschen hatten.
    Währenddessen hatte es sich in dem kleinen Hofe, auf den Loubet und seine Kameraden sich spitzten, ihr Brigadebefehlshaber General Bourgain-Desfeuilles bequem gemacht. Er hatte gefunden, daß das Bett anginge, und hatte sich mit einem Eierkuchen und einem gebratenen Huhn zu Tisch gesetzt, was ihn in köstliche Laune versetzte; und da der Oberst von Vineuil gerade zu einer dienstlichen Besprechung kam, lud er ihn zum Essen ein. Sie saßen also zusammen und wurden von einem großen blonden Kerl bedient, der erst drei Tage bei dem Bauer in Dienst war und Elsässer zu sein behauptete, ein in den Zusammenbruch von Fröschweiler hineingerisserne Heimatloser. Der General sprach ganz frei vor dem Manne, erläuterte den Marsch des Heeres und fragte ihn dann nach Wegen und Entfernungen, wobei er vergaß, daß der doch nicht aus den Ardennen stammte. Die vollständige Unwissenheit, die er bei seinen Fragen bewies, machte den Oberst schließlich ganz unruhig. Er hatte in Mézières gelebt. Einige genaue Erklärungen, die er machte, entrissen dem General den Ruf:
    »Ach was, es ist verrückt! Wie soll man in einem Lande fechten, das man nicht kennt!«
    Der Oberst machte eine unbestimmte, verzweiflungsvolle Bewegung. Er wußte, daß seit der Kriegserklärung allen Offizieren Karten von Deutschland zugeteilt waren, während sicher kein einziger eine Karte von Frankreich besaß. Was er seit einem Monat sah und hörte, war niederschmetternd. Da er für einen etwas schwachen und beschränkten Führer galt, was ihn bei seinem Regiment eher beliebt als gefürchtet machte, so blieb ihm nichts als sein persönlicher Mut.
    »Nicht mal ruhig essen kann man!« schrie plötzlich unvermittelt der General. »Was gibt's denn da so zu brüllen? Sieh mal nach, Elsässer!«
    Aber der Bauer kam schon schluchzend mit verzweifelten Gebärden herein. Die Soldaten plünderten, Jäger und Zuaven räumten ihm das Haus aus. Er hatte zuerst die Schwäche gehabt, einen Laden aufzumachen, da er der einzige im Dorfe war, der Eier, Kartoffeln, Kaninchen besaß. Er verkaufte, ohne sie zu sehr zu betrügen, steckte sein Geld in die Tasche und gab seine Ware hin; das ging so gut, daß schließlich die Käufer, deren Zahl dauernd anwuchs, ihn überrannten, überschrien und herumschubsten und alles ohne zu bezahlen wegnahmen. Wenn während des Feldzuges die Bauern alles versteckten und sogar ein Glas Wasser verweigerten, so geschah das lediglich aus Furcht vor diesem langsamen, unwiderstehlichen Druck der menschlichen Flut, die sie aus ihren Behausungen herausdrängte und alles mit wegnahm.
    »Ach, mein Guter, lassen Sie mich in Ruh'!« antwortete der General aufgebracht. »Gewiß müßten mal ein Dutzend von diesen Lumpen erschossen werden. Aber kann man's?«
    Und er ließ die Tür schließen, um nicht dazwischenfahren zu müssen, während der Oberst ihn darüber aufklärte, daßes keine Verteilung gegeben habe und die Leute hungrig seien.
    Loubet hatte draußen gerade ein Kartoffelfeld gefunden und sich mit Lapoulle darüber hergemacht; mit beiden Händen wühlten sie darin herum, rissen Kartoffeln aus und stopften sich die Taschen voll. Chouteau aber, der über eine niedrige Mauer gesehen hatte, pfiff den Ruf zum Appell, auf den sie zu ihm kamen und in laute Freude ausbrachen: eine Gänseherde, etwa zehn prachtvolle Gänse, watschelten hoheitsvoll in einem engen Hofe herum. Sofort wurde Kriegsrat gehalten und Lapoulle mit einigem Zureden dazu gebracht, über die Mauer zu klettern. Der Kampf war furchtbar; die Gans, die er gepackt hatte, zerquetschte ihm mit ihrer harten Klemme von Schnabel fast die Nase. Da packte er sie an dem Hals und wollte sie erwürgen, während sie ihm Arme und Bauch mit ihren starken Füßen bearbeitete. Er mußte ihr mit der Faust den Schädel eindrücken, und trotzdem wehrte sie sich noch. Schleunigst riß er aus, von dem Rest der Herde verfolgt, der ihm die Hosen zerriß.
    Als alle drei mit der Gans und den Kartoffeln in einem Sack versteckt zurückkamen, fanden sie Jean und Pache, die ebenfalls glückselig von ihrer

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