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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gute Ordnung und der schöne Humor dieses ersten Marschtages wieder mit Vertrauen erfüllten. Der Rest des Weges wurde auch in dem gleichen munteren Schritte zurückgelegt. Indessen schienen doch die letzten acht Kilometer hart. Sie hatten gerade das Dorf Prosnes links liegen lassen und mußten von der großen Heerstraße abbiegen und quer über unbebautes Gelände marschieren, sandige, mit kleinen Kieferngruppen bestandene Heidestriche; und die ganze, von dem unendlichen Troß gefolgte Division wühlte sich zwischen diesen Kiefern auf ihrem Sande hindurch, in dem sie bis an die Knöchel versank. Die Einsamkeit schien sich noch vergrößert zu haben; sie trafen nichts weiter als eine von einem großen schwarzen Hunde bewachte Herde magerer Hammel.
    Gegen vier Uhr endlich hielten die 106er in Dontrien,einem Dorf am Ufer der Suippe. Das kleine Flüßchen läuft zwischen Baumgruppen hin; die alte Kirche steht mitten auf dem Kirchhof, den ein gewaltiger Kastanienbaum völlig überschattet. Das Regiment schlug seine Zelte auf einer abschüssigen Wiese am linken Ufer auf. Die Offiziere erzählten, daß die vier Armeekorps heute abend von Auberive bis Heutrégiville an der Suippe entlang biwakieren sollten, so daß sich durch Dontrien, Béthiniville und Pont-Faverger eine fast fünf Meilen lange Reihe von Zelten ziehen würde.
    Sofort blies Gaude zur Verteilung, und Jean mußte laufen, denn der Korporal war der große Versorger, immer auf dem Anstand. Er hatte Lapoulle mitgenommen, und nach einer halben Stunde kamen sie, mit einem blutigen Rinderrippenstück und einem Bündel Holz beladen, wieder. Unter einer Eiche waren schon drei Stücke der nachfolgenden Herde geschlachtet und zerlegt; Lapoulle mußte noch einmal nach Dontrien zurück, um Brot zu holen, das seit Mittag in den Öfen des Dorfes selbst gebacken wurde. Und heute, an dem ersten Tage, gab es alles wirklich in Überfluß, außer Wein und Tabak, die übrigens nie mehr verteilt werden sollten.
    Als Jean zurückkam, fand er Chouteau, unterstützt von Pache, dabei, das Zelt aufzuschlagen. Als alter erfahrener Soldat hätte er für ihren Kram keine zwei Francs gegeben, sah aber doch einen Augenblick zu.
    »Ja, das ist ganz gut, wenn wir heute nacht gutes Wetter behalten,« sagte er endlich. »Sonst, wenn es weht, gehen wir in den Fluß ... Muß euch das mal zeigen.«
    Und er wollte Maurice mit der großen Kanne nach Wasser schicken. Aber der saß im Grase und hatte sich die Schuhe ausgezogen, um seinen rechten Fuß nachzusehen.
    »Was? Was haben Sie denn da?«
    »Das Hinterleder hat mir den Hacken wund gerieben ... Meine andern Schuhe gingen kaput, und ich war so dumm, mir in Reims diese zu kaufen, weil sie mir so gut paßten. Ich hätte mir ein paar Kähne aussuchen sollen.«
    Jean war niedergekniet, nahm den Fuß und drehte ihn vorsichtig hin und her wie einen Kinderfuß, worauf er den Kopf schüttelte.
    »Wissen Sie, das ist nicht so einfach ... Passen Sie mal auf. Einen Soldaten, der keine Füße mehr hat, den kann man nur auf den Steinhaufen schmeißen. In Italien sagte mein Hauptmann immer: die Schlachten gewinnt man mit den Beinen.«
    Und dann schickte er Pache zum Wasserholen. Übrigens lief der Fluß in fünfzig Meter Entfernung. Und Loubet, der inzwischen in einem Loch, das er in die Erde gegraben hatte, ein Feuer angezündet hatte, konnte nun sofort die Suppe aufsetzen, nachdem der große Kessel mit Wasser gefüllt war, in das er das Fleisch, kunstgerecht zusammengeschnürt, hineintat. Und dann herrschte eine Seligkeit beim Anschauen der kochenden Suppe. Die ganze Korporalschaft hatte sich, frei von aller Arbeit, um das Feuer herum ins Gras gestreckt, wie eine Familie, voll zärtlicher Aufmerksamkeit für dies kochende Stück Fleisch; Loubet indessen schäumte mit seinem Löffel ernsthaft den Kessel ab. Wie Kinder und Wilde hatten sie auf diesem Lauf ins Unbekannte, ohne Morgen, nur den einen Gedanken, zu essen und zu schlafen.
    Maurice hatte gerade in seinem Tornister eine in Reims gekaufte Zeitung gefunden, und Chouteau bat:
    »Gibt's was Neues von den Preußen? Müssen uns das vorlesen!«
    Infolge Jeans wachsenden Ansehens hielten sie gut zusammen haus. Maurice las ihnen voller Gefälligkeit die bedeutendsten Nachrichten vor, während Pache, die Näherin der Korporalschaft, ihm seinen Rock ausbesserte und Lapoulle sein Gewehr putzte. Erst kam ein großer Sieg Bazaines, der ein ganzes preußisches Korps in die Steinbrüche von Jaumont geschleudert

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