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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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können. Da seine Korporalschaft sich fast an der Spitze befand,sah er auch von weitem den Oberst, Herrn von Vineuil, dessen düsteres Aussehen bei dem Schwanken seiner langen, steifen Gestalt nach dem Schritte des Pferdes ihn betroffen machte. Die Musik war zu den Marketendern ganz nach hinten geschickt. Dann kamen zugleich mit den Divisionen die Ambulanzen und der Fuhrpark, dem wieder der Train des ganzen Korps folgte, ein ungeheurer Zug von Futterwagen, geschlossenen Wagen für die Eßvorräte, Gepäckkarren, ein mehr als fünf Kilometer langer Zug von Fuhrwerken aller Arten; seinen unendlichen Schwanz konnte man an den seltenen Wegbiegungen verfolgen. Zu guter Letzt machten die Herden den Beschluß, eine Menge Rindvieh, das in einem Staubstrom dahintrottete, das mit Peitschenhieben auf den eigenen Beinen vorwärts getriebene Fleisch für ein kriegerisches, auf der Wanderschaft befindliches Volk.
    Lapoulle warf währenddessen von Zeit zu Zeit seinen Tornister durch einen Ruck der Schulter wieder hoch. Unter dem Vorwand, daß er der Stärkste wäre, packten sie ihm alles gemeinschaftliche Gerät der Korporalschaft auf, den großen Kessel und die Kanne für den Wasservorrat. Diesmal hatten sie ihm sogar auch noch den Kompaniespaten anvertraut, indem sie ihm vorspiegelten, daß das eine Ehre für ihn sei. Und er beklagte sich auch gar nicht, sondern lachte über ein Lied, mit dem Loubet, der Tenor der Korporalschaft, die Länge des Marsches verkürzte. Loubet selbst hatte einen wahren Wundertornister, in dem alles zu finden war: Wäsche, Schuhe zum Wechseln, aller mögliche Kram, Bürsten, Schokolade, ein Besteck und ein kleiner Topf, ohne die vorschriftsmäßigen Lebensmittel mitzuzählen, wie Zwieback und Kaffee; und trotzdem auch die Patronen darin waren und obendrauf der gerollte Überzug, die Zeltbahn und die Haltepflöcke,erschien das Ganze leicht, so gut verstand er nach seinem Ausdruck seinen Koffer zu packen.
    »Schandbare Gegend!« wiederholte Chouteau dann und wann und warf einen mißachtenden Blick über die traurige Landschaft der Lause-Champagne.
    Die öde Weite der Kreidegegend dehnte sich ununterbrochen immer weiter hin. Kein Gehöft, keine Seele, nichts als Krähenschwärme, die in der grauen Weite schwarze Flecken bildeten. Ganz weit hinten, zur Linken, krönten Fichtengehölze mit ihrem düstern Grün leise Geländewellen, die mit dem Himmel abschnitten, während man zur Rechten in einer fortlaufenden Baumreihe den Lauf der Vesle ahnte. Und dort hinter den Hügeln sahen sie seit etwa einer Meile schon eine gewaltige Rauchwolke sich erheben, deren zusammengeballte Massen schließlich den ganzen Horizont mit der furchterregenden Wolke einer Feuersbrunst versperrten.
    »Was brennt denn da unten?« fragten Stimmen von allen Seiten.
    Aber die Erklärung lief von einem Ende der Heeressäule zum andern. Es war das Lager von Châlons, das seit zwei Tagen brannte, auf Befehl des Kaisers in Brand gesteckt, um die aufgehäuften Vorräte vor den Händen der Preußen zu bewahren. Es hieß, die Kavallerie der Nachhut hätte Befehl gehabt, Feuer an einen großen Holzschuppen zu legen, der der gelbe Speicher hieß und voller Zelte, Pflöcke und Matten war, sowie an den neuen Speicher, einen riesigen geschlossenen Schuppen, in dem Eßschüsseln, Schuhwerk und Regenmäntel für die Ausrüstung weiterer hunderttausend Mann aufgehäuft waren. Gleichfalls angesteckte Futterstrohdiemen qualmten wie Riesenfackeln. Vor diesem Schauspiel, diesen blaugrauen Wirbeln, die die weiten Hügelketten umsäumtenund den Himmel mit hoffnungsloser Trauer erfüllten, verfiel das Heer in trübes Schweigen. In dem Sonnenglast hörte man nichts mehr als den Tonfall der Tritte, während die Köpfe sich wider Willen stets den immer größer werdenden Rauchschwaden wieder zukehrten, die wie eine unheilschwangere Wolke der Heeresgruppe noch eine ganze Weile lang folgten.
    Die Heiterkeit kehrte erst wieder, als die Soldaten sich während der großen Rast auf einem Stoppelfelde auf ihre Tornister setzen konnten, um einen Bissen zu essen. Die großen viereckigen Zwiebäcke waren nur gut, um sie in die Suppe zu stecken; aber die kleinen runden, kroß und locker, waren eine wahre Leckerei, die nur den einzigen Fehler hatte, einen furchtbar durstig zu machen. Pache wurde aufgefordert und sang einen Choral, den die ganze Korporalschaft im Chor wiederholte. Jean lachte gutmütig und ließ sie machen, während Maurice die allgemeine Munterkeit, die

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