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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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meine Tür kommt, breche ich den Hals!«
    Nun mußte es zum Gefecht kommen. Flüche wurden laut, eine Stimme schrie, man solle doch das Schwein von Bauern erledigen, der wie alle andern sein Brot eher in den Brunnen schmeißen als den Soldaten auch nur einen Bissen geben würde. Die Läufe der Chassepots richteten sich auf ihn, und man wollte ihn schonungslos erschießen; er wich aber in seiner Wut und Starrköpfigkeit nicht aus dem Lichtkreis seiner Kerze.
    »Rein gar nichts! Keine Rinde mehr! ... Alles haben sie weggenommen!«
    Erschreckt stürzte Maurice, von Jean gefolgt, vorwärts.
    »Kameraden! Kameraden! ...«
    Er schlug die Gewehre der Soldaten nieder; und indem er den Kopf hob, bat er:
    »Seht, seid doch vernünftig ... Erinnert Ihr Euch meiner nicht mehr? Ich bin's.«
    »Wer bist du?«
    »Maurice Levasseur, Euer Neffe.«
    Vater Fouchard hatte seine Kerze wieder in die Hand genommen. Zweifellos erkannte er ihn. Aber er blieb hartnäckig bei seiner Absicht, auch kein Glas Wasser herzugeben.
    »Neffe oder nicht, kann man das in dieser kohlrabenschwarzen Nacht sehen? ... Macht, daß ihr wegkommt, oder ich schieße!«
    Und trotz alles Fluchens und Drohungen, ihn herunterzuholen oder Feuer an seine Stube zu legen, blieb er dabei, dies unaufhörlich zu wiederholen:
    »Macht, daß ihr wegkommt, oder ich schieße!«
    »Auch auf mich, Vater?« fragte plötzlich eine starke, den Lärm übertönende Stimme.
    Verblüfft standen die andern still; ein Wachtmeister trat vor in das tanzende Licht der Kerze. Es war Honoré, dessen Batterie höchstens zweihundert Meter entfernt lag und der seit zwei Stunden gegen den unwiderstehlichen Wunsch ankämpfte, an diese Türe zu klopfen. Er hatte sich geschworen, nie wieder über diese Schwelle zu treten; er hatte in den vier Jahren, die er im Dienste stand, keinen Brief mit dem Vater gewechselt, den er jetzt in so kurzem Tone anredete. Die Nachzügler tuschelten lebhaft untereinander und beredeten sich. Der Sohn des Alten und ein Chargierter! Nichts zu machen, das konnte übel ausgehen, besser, man suchte weiter weg. Und sie zogen ab und verschwanden in der dunklen Nacht.
    Als Fouchard begriff, daß er vor der Plünderung bewahrt sei, sagte er einfach, ohne jede Rührung im Tone, als ob er seinen Sohn noch gestern gesehen hätte:
    »Du bist's ... schön, ich komme herunter!«
    Das dauerte lange. Man hörte im Innern Schlösser auf- und wieder zuschließen, alle die Anstalten eines Mannes, der sicher sein will, daß ihm nichts wegkommt. Endlich öffnete sich die Tür, aber nur ganz wenig, von kräftiger Faust festgehalten.
    »Komm du herein, aber niemand weiter!«
    Seinem Neffen jedoch konnte er eine Zuflucht trotz sichtbaren Widerstrebens nicht verweigern.
    »Vorwärts, du auch!«
    Vor Jean schlug er die Tür unbarmherzig zu, so daß Maurice sich auf dringendes Bitten verlegen mußte. Aber er versteifte sich auf sein: nein! nein! er brauchte keine Unbekanntenbei sich, keine Diebe, die ihm nur seine Sachen zerschlagen wollten. Schließlich verhalf Honoré dem Kameraden durch einen Stoß mit der Schulter hinein, und der Alte mußte nachgeben, wenn er auch leise Drohungen vor sich hinbrummte. Sein Gewehr hatte er nicht losgelassen. Als er sie dann unten in den gemeinschaftlichen Wohnraum gebracht hatte und die Flinte auf die Anrichte gelegt, die Kerze auf den Tisch gestellt hatte, verfiel er in hartnäckiges Schweigen.
    »Sag' mal, Vater, wir verrecken vor Hunger. Du wirst uns doch wenigstens etwas Brot und Käse geben!«
    Er antwortete nicht; er schien ihn gar nicht zu hören, sondern wandte sich unausgesetzt nach dem Fenster zurück, um zu horchen, ob nicht eine andere Bande käme, um sein Haus zu belagern.
    »Ohm, seht mal, Jean ist wie unser Bruder. Er hat sich für mich die letzten Bissen vom Munde abgespart. Und wir haben soviel zusammen ausgehalten!«
    Er wandte sich um und überzeugte sich, daß nichts fehlte; sie selbst aber sah er gar nicht an. Schließlich kam er scheinbar zu einem Entschluß, aber immer noch, ohne ein Wort zu sagen. Er nahm heftig die Kerze wieder auf und ließ sie im Dunkeln, wobei er noch sorgfältig die Tür hinter sich verschloß, damit niemand ihm folgen könne. Sie hörten, wie er die Kellertreppe hinunterstieg. Es dauerte sehr lange. Und als er zurückkam, schloß er alles von neuem ab, bevor er ein großes Brot und einen Käse auf den Tisch setzte, immer noch schweigend, was jetzt aber, nachdem sein Zorn verraucht war, nichts als bäurische

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