Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
immer machen. Er streckt Hoffmann die Hand entgegen: »Danke für deinen Beistand. Wir sollten jetzt einen Schwur ablegen, Karl: einander niemals zu verraten.«
Hoffmann ergreift die Hand: »Niemals, Rudolf.«
In diesem Jahr kommt der Sommer sonnig und heiß, in schärfstem Kontrast zu den Ruinen in den Städten, dem Hunger, der Heimatlosigkeit, der Hoffnung von Millionen Menschen. Auch Pleil kann sich der schönen Jahreszeit nicht recht erfreuen. Mehrere epileptische Anfälle hatten sich mit den gewohnten Vorzeichen angekündigt. Kopfdruck und Schwindelgefühl hatten ihm tagelang die Arbeit erschwert, Depressionen ihn übellaunig gemacht und die erhöhte Reizbarkeit zum Streit mit seiner Frau geführt.
In diesem Zustand steigert die geringste Unstimmigkeit seine Aggressivität, was sich auch in seinen sexuellen Forderungen ausdrückt. Die Folge ist, daß sich seine Frau noch entschiedener seinen brutalen Praktiken widersetzt. Seine Impotenz verfestigt sich. Er gibt seiner Frau die Schuld daran und kann aus diesem Teufelskreis von Aggression und Impotenz nicht mehr heraus. Er will seine Stimmung durch Alkohol aufhellen und gerät dabei noch tiefer in Frustration.
Manchmal aber, wenn er allein ist oder eingepfercht in überfüllte Eisenbahnwaggons, drängt sich ein Bild in seine Erinnerung: die einsame Landschaft der Wälder und Sumpfwiesen und mitten auf dem Weg die Tote. Das Bild erfüllt ihn mit innerer Ruhe. Und erregt ihn zugleich, weckt das Verlangen, es wieder in die Wirklichkeit zurückzuholen. Es ist wie die Alkoholsucht. Bald vergeht kein Tag mehr, da ihn das Bild nicht zur Rückkehr ruft, zur Rückkehr in die Wildnis mit der blutigen willenlosen Leiche.
Am Wochenende Mitte Juli hält er dem Verlangen nicht mehr stand. Am Dienstag, dem 16. Juli, verbindet er eine Dienstreise mit der Fahrt an die Zonengrenze, diesmal an der Südseite des Harzes.
Er fährt bis Ellrich und geht zu Fuß nach Walkenried, das bereits in de r englischen Zone liegt. Diesmal ist Pleil allein. Er will sich beweisen, daß er niemanden braucht, der ihm hilft, zum Hochgenuß zu gelangen. Sein erster Mord war nicht schwieriger gewesen, als eine Mücke auf der Hand zu erschlagen. Er ist als Täter nie verdächtigt worden. Einen Niemand töten im Niemandsland, das ist der perfekte Plan für perfekte Lust.
In Walkenried spricht er eine junge Frau mit Koffer an. Sie will von West nach Ost und sucht tatsächlich einen Grenzführer. Pleil verspricht ihr, sie sicher über die Grenze zu bringen. Sie machen sich auf den Weg. Pleil führt sie am Zisterzienserkloster vorbei. Die Ruine erweckt in seiner Begleiterin ein Gefühl von Traurigkeit. Sie sei ganz allein auf der Welt, sagt sie, und möchte am liebsten tot sein.
Dazu könne er ihr verhelfen, sagt Pleil lachend.
Jetzt lacht sie auch. Dazu sei nun doch noch etwas Zeit.
Und ahnt nicht, wie wenig Zeit ihr nur noch bleibt. Und wie nahe sie dem Himmelreich ist. Das Waldgebiet, in dem ihre Zeit endet, heißt Himmelreich. Hier, auf einer von hohen Bäumen umgebenen Lichtung, schlägt Pleil vor, eine Rast einzulegen. Sie setzen sich ins Gras. Unbemerkt zieht Pleil einen Hammer aus der Tasche, tritt hinter die Frau und schlägt ihr den Hammer auf den Kopf. Bevor er nochmals zuschlagen kann, springt die junge Frau schreiend auf und versucht davonzulaufen. Pleil holt sie ein, wirft sie nieder. Sie schlägt um sich, ruft um Hilfe, gräbt ihre Finger in seinen Hals. Pleil sieht, wie ihr das Blut aus der Kopfwunde rinnt. Er bekommt einen Orgasmus.
Nun könnte er von ihr ablassen, ihr das Leben schenken. Das will er nicht. Er will mehr. Er will sein Lustgefühl wiederholen. Er greift nach dem Hammer und tötet sie mit mehreren Schlägen.
Was ihm seine Frau verweigerte, tut er nun mit der Leiche. Er mißhandelt sie in rasender Wut und hat erneut eine Ejakulation.
Dann steht er auf, durchwühlt den Koffer, entnimmt ihm eine Decke und breitet sie über die Tote.
Das erregende Erlebnis hat ihn müde gemacht. Er legt sich neben die Leiche. Insekten summen um ihn herum. Er schlummert sofort ein.
Nach erfrischendem Schlaf erwacht er, ergreift den Koffer und verschwindet im Dämmer des Himmelreiches.
Vier Wochen sind seit Pleils zweitem Mord vergangen. Er fühlt sich sicher, er hat diese gefahrlose neue Methode gefunden, zu höchstem sexuellen Genuß zu gelangen. Jetzt ist Mitte August. Hoffmann giert nach großer Beute. Er hat kürzlich seine Frau verlassen und ist zu seiner Geliebten gezogen. Der
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