Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
zwischen den beiden das Hauptthema.
Endlich wird die Einfahrt des Zuges nach Magdeburg angekündigt. Die starre Masse der Wartenden kommt in Bewegung. Die Leute ergreifen ihr Gepäck und blicken gespannt dem herankriechenden Zug entgegen. Unter Fluchen, Drängen, Schieben vollzieht sich die Eroberung des Zuges.
Pleil und Hoffmann haben nur jeder eine Tasche bei sich. Von Gepäck unbelastet, dringen sie rasch in einen Wagen ein und erlangen sogar noch Sitzplätze.
Die Fahrt dauert endlos. Immer wieder hält der Zug auf offener Strecke an, um einen Gegenzug vorbeizulassen. Träge gleitet die Märzlandschaft vorüber. Pleil hängt seinen Gedanken nach, angestaute Wut zerfrißt ihn. Gestern nacht, vor der Abreise, hatte er noch mit seiner Frau schlafen wollen. Und wieder, wie schon so oft in letzter Zeit, hatte sie sich verweigert. Mit immer dem gleichen Vorwurf: er sei zu brutal und tue ihr weh. Sie will es einfach nicht begreifen, daß er nur dann zur Befriedigung kommt, wenn er sie dabei quält, bis sie vor Schmerzen stöhnt. Sie will es einfach nicht begreifen! Und überhaupt! Auch die anderen Weiber, die er auf Dienstreise aufreißt, verhalten sich ebenso zimperlich, wenn er sie entsprechend seinen Wünschen zu bearbeiten beginnt. Bearbeiten – er grinst bei diesem Wort in sich hinein, es klingt so schön harmlos. Sie wollen nicht bearbeitet werden. Und er steht auf und steht da, ein Schlappschwanz, ein Ritter von der traurigen Gestalt. Bleibt dann als einzige Entspannung nur die Selbstbedienung wie in alten Zeiten, als er noch zur See fuhr.
Pleil schnauft. Hoffmann blickt ihn belustigt an. »Wieder mal Zoff mit deiner Alten?«
»Immer dasselbe«, murmelt Pleil.
Hoffmann kennt Pleils Frust. Als echtem Kumpel hat sich Pleil dem Älteren schon mehrmals anvertraut: Immer wieder eine angemacht und immer wieder zurückgewiesen, wenn er auf seine Art zur Sache kommen wollte.
»Hör mal«, erwidert Hoffmann, »du fällst mir allmählich auf die Nerven. Sei doch endlich mal konsequent. Wenn du keine findest, die still hält, mußt du eben eine still machen!«
Daran hat Pleil in letzter Zeit schon selber oft gedacht. Er ist erleichtert, daß Hoffmann es ebenso sieht wie er. »Würdest du mir dabei helfen?« fragt er flüsternd.
»Fragt sich, wie du dir das vorstellst.«
Pleil blickt sich um. Der Mann neben ihm schnarcht, die Frauen gegenüber, neben Hoffmann, schwatzen. Die Leute, die in den Gängen stehen, haben ihre eigenen Probleme. Pleil beugt sich vor und schildert mit gedämpfter Stimme Hoffmann seinen noch ganz vagen Plan: Was geschehen soll, sollte im Niemandsland geschehen. Und geschehen sollte es an einem Niemand. Das alles zusammen mache den Plan todsicher.
Hoffmann stimmt zu.
Ort und Objekt der Tat sind somit festgelegt. Nun müssen die Rollen verteilt werden. Hoffmann denkt sich das so: Die Tat soll ihm materiellen und Pleil sexuellen Gewinn bringen.
Pleil ist einverstanden. Wie schnell ein Schattenplan Farbe und Gestalt bekommt. »Und womit soll es geschehen, Karl?«
»Was gerade zur Hand ist. Hammer oder Beil oder auch nur ein Stein. Zur Not habe ich immer noch mein Messer dabei.« Hoffmann meint seine Waffe, die er als ehemaliger Fallschirmjäger aus dem Krieg mitgebracht hat.
Der Plan scheint nun fixiert. Als Pleil drängt, ihn noch detaillierter festzulegen, wehrt Hoffmann ab. »Ein zu genauer Plan kann leichter scheitern, beim geringsten Zufall, der vorher nicht bedacht worden ist. Die Einzelheiten müssen wir der jeweiligen Situation überlassen.«
Am nächsten Tag erledigen die beiden ihre eigentlichen Dienstaufträge. Am übernächsten Tag fahren sie von Magdeburg über Oschersleben bis an die Zonengrenze unweit von Osterwieck. Hier liegt das Waldgebiet des Fallstein, nördlich des Fallstein eine Bruchlandschaft, die sich über die Zonengrenze hinweg bis zum Bruch von Roklum in der englischen Zone hinzieht. Hier, in der stillen unwegsamen Einöde, wollen Pleil und Hoffmann ihren ersten Mord proben.
Zu dieser Zeit, ein Jahr nach Kriegsende, ist die Grenze zwischen der Sowjetzone und den Westzonen noch durchlässig. Legal kann die Zonengrenze nicht überschritten werden. An der Grenze enden alle Straßen vor dem Schlagbaum und alle Züge auf dem Grenzbahnhof. Wer – aus welcher Richtung auch immer – über die Grenze will, muß den Zug verlassen und sie zu Fuß überqueren. Das Chaos der Kriegs- und Nachkriegszeit hat in Deutschland eine neue Völkerwanderung hervorgebracht. Deutsche
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