Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
Wallung.« Sexualität beginnt im Kopf, ist zuerst Vorstellung, dann Handlung. In der Kindheit geprägt, verfestigen sich die Vorstellungen durch Wiederholung der Handlungen, gewinnen eine eigene Gesetzlichkeit: »Dann kann man schließlich nicht mehr dagegen an. Dann entzündet sich die Patrone von selbst.«
Das aber ist die Frage, an der sich auch heute noch die Geister scheiden. Konnte sich ein Täter wie Seefeldt dem Druck seiner perversen Vorstellungen und Erwartungen entziehen und ihre Realisierung verhindern? Oder waren sie so übermächtig, »daß man alle Willenskraft verliert«?
Die Gutachter meinten, er sei für seine Verbrechen voll verantwortlich, denn er habe nachweislich von seinem Vorhaben abgelassen, wenn er Gefahr witterte. Seine Willenskraft sei also stark genug gewesen, um seinem Verlangen zu widerstehen.
1923 hat Seefeldt nachgewiesenermaßen seinen ersten, 1935 seinen letzten Mord begangen – wie viele Kinder er in diesen zwölf Jahren insgesamt getötet hat, blieb ungeklärt. Es sollen viel mehr gewesen sein. Daß er so lange Zeit unentdeckt morden konnte, ist wohl zuerst seinem raffinierten modus operandi zuzuschreiben. Der Tod der Kinder wurde für einen natürlichen Tod gehalten, so daß die bei Mord selbstverständliche Tiefenprüfung des Todesfalles unterblieb.
Seefeldt ließ die Leichen in einsamen Waldverstecken zurück, so daß sie oft erst längere Zeit nach ihrem Tode gefunden wurden. Der Zustand der Leichen erschwerte es zusätzlich, die Todesursache festzustellen.
Die Dezentralisation der Polizeibehörden und ihre mangelhafte Koordination ließ erst viel zu spät einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Todesfällen erkennen und die Fahndung nach einem Serienmörder aufnehmen.
Seefeldt kam mehrmals wegen Sittlichkeitsdelikten vor Gericht, als er längst schon gemordet hatte. Die Justizbehörde erkannte mangels schlampiger Ermittlung Seefeldt nicht als Wiederholungstäter, er kam mit kurzzeitigen Strafen davon und konnte nach Freilassung weiter morden.
Sexuelle Aufklärung war im prüden Nazistaat weitgehend ein Tabu. Das schloß auch die öffentliche Diskussion und die Warnung vor Sexualverbrechern ein. Seefeldts Opfer waren zugleich auch Opfer ihrer eigenen gesellschaftlich bedingten Arglosigkeit.
Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur SAD vom 2. 8. 1996 sind im belgischen Ferienort Blankenberge zwei Frauen spurlos verschwunden, nachdem der »Magier« Rasti Rostelli sie hypnotisiert und nicht wieder fachgerecht aus dem hypnotischen Schlaf geweckt hatte.
Der Grenzgänger
Auf dem Leipziger Hauptbahnhof endet der Zug aus der erzgebirgischen Stadt Marienberg. Rudolf Pleil und Karl Hoffmann müssen hier umsteigen. Sie wollen über Halle nach Magdeburg weiterfahren.
Es ist ein kalter Tag Ende März 1946. Der Bahnhof zeigt noch immer die Spuren des Krieges. Wann der Anschlußzug eingesetzt wird, weiß niemand. Die ungeheizten Züge verkehren unregelmäßig, denn die Strecken sind eingleisig, seit nach Kriegsende der zweite Schienenstrang abgebaut und als Reparationsleistung in die Sowjetunion geliefert werden mußte.
Frierend gehen Pleil und Hoffmann zwischen den Reisenden, die auf den Anschlußzug warten, zwischen Koffern, Rucksäcken, Bündeln, Fahrrädern hindurch. Der große Bahnhof ist ein Spiegel der Zeit. Als sei das ganze Volk auf Reisen: Männer in Soldatenmänteln, die aus der Kriegsgefangenschaft heimkehren. Ausgebombte aus dem Westen, die nach ihrer Umsiedlung in die östlichen Provinzen wieder in ihre Heimat fahren. Flüchtlinge, die sich woanders ein besseres Leben erwarten. Frauen, die in den Dörfern Wäsche oder Schmuck gegen Mehl und Kartoffeln tauschen wollen. Den ganzen Bahnsteig entlang: eine in dumpfem Schweigen verharrende Masse, die ergeben wartet, bis der nächste Zug sie ihrem Ziel näher bringt.
Pleil und Hoffmann üben sich in Geduld. Sie haben es nicht eilig, sie sind auf Dienstreise, und kehren sie morgen nicht zurück, dann übermorgen. Der Betrieb, für den sie als Einkäufer arbeiten, kann unter den chaotischen Verkehrsbedingungen die Reisezeit sowieso nicht kontrollieren.
Die beiden Einkäufer, den fünfunddreißigjährigen Hoffmann und den schlanken, wendigen zweiundzwanzigjährigen Pleil, verbindet mehr miteinander als nur die Tätigkeit im selben Betrieb. Beide waren nach Kriegsende als Hilfspolizisten eingesetzt gewesen. Beide sind verheiratet, und beide sind stets auf sexuelle Abenteuer mit anderen Frauen aus. Frauen – das ist
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