Der zweite Gral
Schwung bringen?«
»Bevor ich Ihnen diese Frage beantworte, möchte ich Ihnen etwas zeigen«, sagte Goldmann. Er drückte ein paar Knöpfe der Fernbedienung, die vor ihm auf dem Tisch lag. Daraufhin verdunkelte eine Lamellenjalousie die Fenster, und ein altmodischer Diaprojektor warf ein Bild auf die am gegenüberliegenden Tischende aufgestellte Leinwand.
Das Bild war zweigeteilt und erinnerte an die Aufnahme eines Strafgefangenen. Es zeigte einen dunkelhäutigen Greis, einmal von vorne, einmal von der Seite. Er trug nichts am Leib außer einem Lendenschurz. Tiefe Falten zerfurchten sein Gesicht, sein Schädel war kahl, der Rücken krumm. Donna vermutete, dass es sich um einen Entführten aus Wad Hashabi handelte. Das sudanesische Dorf war für Goldmann deshalb so interessant, weil dort ungewöhnlich viele Alte lebten. Umgeben von steppenhafter Ödnis war Wad Hashabi wie eine Insel. Viele der Einwohner hatten ihr ganzes Leben dort verbracht, kaum ein Fremder war jemals zugezogen. Die Gene der Langlebigkeit hatten sich hier über viele Generationen hinweg weitervererbt. Das Dorf war ein Eldorado für Forscher, die sich der Geriatrie verschrieben hatten.
»Niemand weiß, wie alt dieser Mann ist, nicht einmal er selbst«, sagte Doktor Goldmann. »Wir schätzen ihn auf knapp neunzig Jahre. Nun, Senator – sehen Sie selbst, wie unsere Behandlungsmethode sich auf den menschlichen Organismus auswirkt.« Wieder betätigte er die Fernbedienung. Der Diaprojektor ratterte, und ein anderes Foto erschien auf der Leinwand: Noch immer derselbe Mann, das war unverkennbar, aber die Falten hatten sich im Vergleich zum ersten Bild deutlich verringert. Außerdem stand er nicht mehr so gebeugt wie zuvor, und auf seinem ehemals kahlen Schädel spross graues Kraushaar.Der Mann wirkte jetzt wie ein Sechzigjähriger.
Bloomfield war sichtlich beeindruckt.
»Unsere Methode verfolgt einen zweistufigen Plan«, sagte Doktor Goldmann. »Was Sie hier sehen, ist das Ergebnis der ersten Stufe, der Revitalisierungsphase. Ihr Ziel ist es, bereits aufgetretene Alterserscheinungen rückgängig zu machen. Leider gelingt das nur in begrenztem Umfang. Wir können keinen Jüngling mehr aus Ihnen machen. Aber ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen.«
»Allerdings«, pflichtete Bloomfield bei. »Was genau haben Sie in dieser ersten Phase mit mir vor, Doktor?«
»Wir beheben Ihre organischen Verschleißerscheinungen durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, beispielsweise durch gezielte Zufuhr von Vitaminen.«
»Ich habe mein Leben lang Obst gegessen. Geholfen hat es mir nicht. Außerdem will ich nicht hoffen, dass ich zehn Millionen Dollar gezahlt habe, damit Sie mich mit Orangen voll stopfen.«
»Vitamine werden als Regenerativum weithin unterschätzt«, erwiderte Goldmann, ohne auf Bloomfields sarkastischen Unterton einzugehen. »Vor allem ein von uns modifiziertes Vitamin-E-Präparat wirkt äußerst revitalisierend. Aber ich gebe Ihnen Recht: Das allein würde keine zehn Millionen Dollar rechtfertigen. Es würde allerdings auch nicht zu diesem Ergebnis fuhren. Zu den Vitaminen kommen nämlich noch einige Hormonverabreichungen, die sich hauptsächlich auf die Funktion Ihrer Thymusdrüse auswirken.«
»Bisher wusste ich nicht einmal, dass ich eine solche Drüse besitze. Wofür ist sie gut?«
»Sie fördert die Widerstandskraft Ihres Körpers. Leider schrumpft sie beim erwachsenen Menschen immer mehr. Unsere Hormontherapie wird Ihre Thymusdrüse wieder wachsen lassen und Ihre Widerstandskraft dadurch stärken. Schließlich geht es ja nicht nur darum, ein paar Hundert Jahre altzu werden, sondern diese Zeit auch lebenswert zu verbringen, sprich körperlich und geistig aktiv. Aus demselben Grund fuhren wir in der ersten Behandlungsphase auch eine Frischzellenkur durch. Keine gewöhnliche, sondern eine, die alle bisherigen Methoden weit in den Schatten stellt. Danach werden Sie nicht nur deutlich jünger aussehen – so wie die Versuchsperson auf dem Dia –, sondern sich auch wesentlich jünger fühlen. Ihre inneren Organe werden wieder besser arbeiten, ihr Muskelgewebe wird sich aufbauen, ihr Knochenkorsett wird geschmeidiger. Parallel dazu, besser gesagt, kurz nach Verabreichung der Frischzellenpräparate, geht die Behandlung bereits in die zweite Stufe über, die Retardierungsphase. Hierbei wird Ihr revitalisierter körperlicher Zustand stabilisiert und das Fortschreiten des Alterungsprozesses verlangsamt.« Er machte eine kurze Pause, bevor
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