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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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wieder in dem Raum, der gestern als Operationssaal gedient hatte. In einer Ecke stand die hochklappbare Folterliege. Augenblicklich spürte Nangala die Panik wieder in sich aufsteigen. Der Albtraum ging weiter!
    Bevor er etwas sagen konnte, verließ die Frau das Zimmer. Instinktiv wollte Nangala ihr hinterher, doch die Fesseln hielten ihn zurück. Wut und Verzweiflung überkamen ihn. Sie wechselten sich schubweise ab und machten das Warten zur Tortur.
    Endlich hörte er im Gang Schritte, dann ein Geräusch an der Tür. »Schön, dass Sie wieder da sind ...«, sagte er erleichtert. Dann erkannte er, dass nicht Reyhan Abdallah ins Zimmer gekommen war, sondern Doktor Goldmann.
    »Sie freuen sich über meine Gesellschaft?«, sagte der Wissenschaftler mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. »Bestens. Ich hatte schon befürchtet, Sie würden mir mein gestriges Benehmen verübeln.«
    Ironie und Spott trafen Anthony Nangala wie Fausthiebe. Hätten seine Fesseln es erlaubt, wäre er vom Bett aufgesprungen, um diesem Irren an die Gurgel zu gehen. So aber ließ er die Provokation stumm über sich ergehen.
    Goldmann rückte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich neben Anthony Nangalas Bett. Dann zog er einen Beistelltisch heran, auf dem bereits einige Spritzen vorbereitet waren. Sie lagen in Reih und Glied, exakt parallel ausgerichtet. Die Präzision der Anordnung ließ Nangala schaudern. In diesem Labor wurde nichts dem Zufall überlassen. Was immer Goldmann mit ihm vorhatte – er würde es durchführen.
    Der Wissenschaftler desinfizierte eine Stelle auf Nangalas rechtem Handrücken und führte eine Kanüle ein, an die er einen Tropf mit einer durchsichtigen Flüssigkeit anschloss. Anschließend verabreichte er ihm die erste Spritze in den Oberarm.
    »Das ist nur ein Muskelrelaxans«, erklärte er. »Damit Sie sich ein wenig entspannen. Ein entspannter Körper spricht besser auf meine Therapie an.«
    Tatsächlich spürte Nangala bereits nach wenigen Sekunden,wie die Verkrampfung aus seinem Leib wich. Die Angst in seinem Kopf blieb jedoch, nahm sogar noch zu. Er war Goldmann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Während der Wissenschaftler mit seiner Behandlung fortfuhr, erklärte er, was er tat: Spritzen und Infusionslösung enthielten eine Vielzahl an Vitaminen und Hormonen. Später am Tag würde Anthony Nangala in den Genuss einer Frischzellenbehandlung kommen.
    »Mit anderen Worten: Sie durchlaufen die komplette erste Stufe meiner Therapie«, sagte Goldmann. »Genau wie Senator Bloomfield, den ich vor ein paar Minuten behandelt habe. Mit der gestrigen Operation sind Sie ihm sogar einen Schritt voraus. Sie könnten der erste Mensch werden, der das Alter von tausend Jahren überschreitet.«
    Anthony Nangala verstand die Welt nicht mehr. »Weshalb tun Sie das?«, fragte er.
    »Ist das so schwer zu erraten? Um Sie zu untersuchen natürlich.«
    »Untersuchen?«
    »Wir werden Ihnen regelmäßig Organproben entnehmen müssen, um herauszufinden, wie meine Therapie sich im Zusammenspiel mit der Verringerung der Körpertemperatur niederschlägt.«
    Organproben! Das Wort hallte wie ein dumpfes Echo in Nangalas Kopf nach. Er konnte kaum fassen, was sich bei Goldmann so selbstverständlich anhörte.
    »Selbst wenn Ihre Therapie wirkt, was ich bezweifle«, sagte er, »glauben Sie im Ernst, dass ich mich tausend Jahre lang für Ihre Nachuntersuchungen zur Verfügung stelle?«
    Was bildete dieser verrückte Wissenschaftler sich eigentlich ein? Dass er, Nangala, ihm aus Dankbarkeit die Füße küssen würde? Sobald er hier raus war, würde er umgehend dafür sorgen, dass Goldmann und alle, die mit ihm zusammenarbeiteten, hinter Schloss und Riegel kamen.
    »Ich furchte, Sie haben keine andere Wahl«, entgegnete Goldmann kalt. »Sie sind für die Wissenschaft viel zu wichtig, als dass ich Sie gehen lassen könnte.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Anthony Nangala begriff. Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Sie wollen mich tausend Jahre lang gefangen halten?«, murmelte er.
    Goldmann lächelte kalt. »Das Wort lebenslänglich bekommt da eine ganz neue Bedeutung, nicht wahr?«
    Reyhan Abdallah fühlte sich schwach, noch schwächer als in den vergangenen Tagen. Seit sie die Arbeit bei Doktor Goldmann wieder aufgenommen hatte, spürte sie, wie ihre Kräfte schwanden.
    Dabei hatte sie beinahe ein Jahr lang pausiert, um sich zu schonen und ihr Tief zu überwinden. Wahrscheinlich hatte niemand wirklich daran

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