Der zweite Kuss des Judas.
verlässt seine Wohnung, um an der Aufführung mitzuwirken, aber anstatt sich direkt zum Palast der Curtò di Baucina zu begeben, geht er in die Filiale seiner Bank, um den Sack mit dem Kostüm zu holen. Er hat ein Rasiermesser und etwas Rasierseife dabei (wir haben versäumt, darauf hinzuweisen, dass die Schauspieler und Schauspielerinnen in jeder Umkleidekammer auch eine kleine Wasserschüssel hatten). Im Palast angekommen, tut er Folgendes:
Er wirft einen Blick in den Umkleideraum für die männlichen Komparsen, um sich zu versichern, an welchem Platz die Kleidungsstücke zu finden sind, die er an sich nehmen will.
Zu diesem Zeitpunkt sind alle Komparsen auf der Bühne, um ihre Auftritte noch einmal durchzugehen, er könnte die benötigten Kleidungsstücke also in aller Ruhe an sich nehmen. Doch er tut es nicht, weil er weiß, dass die Komparsen in Kürze in den Umkleideraum zurückkehren werden, das Fehlen mehrerer Kleidungsstücke also bemerken könnten.
Hierauf legt er das Kostüm an und lässt seine eigene Kleidung auf dem Stuhl liegen, der in seiner Kammer steht. Sodann steigt er auf die Bühne und spielt die Rolle des Judas, bis er die Versenkung betätigt und durch sie in der Unterbühne verschwindet. Darauf verfährt er folgendermaßen:
(Wir raten an, hierzu Einsicht in die Zeichnung der Anlage 1 zum Bericht Tgb.-Nr. 216 vom 30. März d. J. zu nehmen.) Kaum in der Unterbühne, verlässt Patò diese schnell auf der Rückseite, dann tritt er durch das Portal (4), geht in den Umkleideraum für die männlichen Komparsen (7b), nimmt eine Jacke, ein Hemd, eine Weste, eine Hose, eine Kopfbedeckung und einen Mantel an sich, wobei er schon weiß, wo die Sachen liegen, denn sie gehören nicht einer Person allein (das tut er absichtlich, weil man nicht sofort auf den Gedanken kommen soll, dass all diese Kleidungsstücke in Wirklichkeit eine komplette Ausstattung bilden). Zu diesem Zeitpunkt befinden sich alle Komparsen, Männer wie Frauen, auf der Bühne, wo sie bis zum Schluss bleiben.
Während er rasch Richtung Umkleideraum für die Herren Schauspieler (8b) läuft, sieht er auf der ersten Stufe der Freitreppe (9), die in den Palast hineinführt, ein Paar Stiefel stehen, die jenem der Hurerei bezichtigten Giovanni Abbate gehören, der sie ausgezogen hatte, um keinen Lärm zu machen, als er sich zu einem fleischlichen Umgang in die Privatkapelle begab (siehe die entsprechenden Berichte). Patò nimmt die Stiefel an sich und betritt das Umkleidelager: Er lässt Stiefel und Kleidungsstücke in seiner Kammer (16), läuft in die gegenüberliegende Kammer (2), in der Don Albanese die Kiste mit den überzähligen Requisiten stehen hat, nimmt den falschen Bart heraus, kehrt in seine Kammer zurück, rasiert hastig seinen Schnauzbart ab, zieht sein Kostüm aus, legt die gestohlenen Kleidungsstücke an, stopft alles Übrige in den Sack, bindet sich den falschen Bart um und verfährt dann wie folgt:
Unkenntlich und in aller Ruhe geht er, einem alten Bauern zum Verwechseln ähnlich, mit dem Jutesack über der Schulter durch das Portal. Dann läuft er hinter dem Wachtmeister (17a) in Richtung Vico Re Ruggero. Nach allen unseren zeitlichen Berechnungen mit Proben und Gegenproben fehlen noch drei bis fünf Minuten bis zum Ende der Aufführung. Die Uhr zeigt also sieben Uhr zehn an. Patò geht durch den Vico Re Ruggero, biegt in die Via della Zingarella und darauf in die Via del Cane Morto ein und befindet sich damit bereits auf dem Feldweg, der als Abkürzung zum Bahnhof führt, der einen Kilometer und 300 Meter von der Stadt entfernt ist.
Der Zug nach Caltanissetta Xirbi mit Anschluss nach Palermo fuhr zu der Zeit um acht Uhr abends ab, erst später wurden die Abfahrtszeiten vorgezogen (siehe Bericht Tgb.-Nr. 223 vom 13. April d.J.).
Von uns befragt, hat Signor Salvatore Anastasio, der Bahnbedienstete, wie folgt erklärt:
Er erinnere sich genau an den bärtigen alten Bauern, der am Karfreitagabend wenige Minuten vor Abfahrt des Zuges aufgetaucht sei und ein Billet der dritten Klasse VigàtaCaltanissetta Xirbi-Palermo gekauft habe. Auf unsere Frage, warum er sich daran erinnern könne, antwortete Salvatore Anastasio wie folgt. »Wegen seinen Händen.«
Auf unsere Frage, was an diesen Händen Besonderes gewesen sei, sagte er Folgendes:
Die Hände seien ohne Schwielen gewesen, sehr sauber und gepflegt, und hätten nicht zu einem Bauern gepasst. Aber da diese Hände weder seine Sache
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