Der Zweite Messias
ernster Stimme, »dass es Kardinal Liam Kelly ist.«
Fünf Minuten später betrat der Papst in Begleitung Ryans seine Privatgemächer. Zwei Bedienstete erwarteten ihn. Auf einem langen Tisch, der eigens aufgebaut worden war, lagen verschiedene päpstliche Gewänder. Weitere Kleidungsstücke hingen auf Holzbügeln auf einer Kleiderstange aus Metall.
Die mit Goldfäden durchwirkten Gewänder waren aus feinstem Leinen und kostbarer Seide gearbeitet; die päpstliche Tiara war mit funkelnden Brillanten besetzt und mit Silber- und Goldprägungen verziert. Selbst die Slipper, mit sibirischem Pelz gefüttert, waren mit kostbaren Edelsteinen besetzt. Die Kleidungsstücke waren von den besten Schneidern Italiens gefertigt worden.
Ein Sekretär verneigte sich. »Wenn es Ihnen recht ist, Heiliger Vater, können wir Sie nun ankleiden.«
»Ich brauche diese Gewänder nicht.«
»Aber … wie darf ich das verstehen?«, fragte der Sekretär verwirrt.
Becket betrachtete ein üppig besticktes, mit prächtigen Edelsteinen besetztes Gewand, legte es zurück auf den Tisch und betastete das schlichte Holzkreuz, das er um den Hals trug. »In einer Welt, die von Armut gegeißelt wird, benötige ich diese teuren Gewänder nicht. Ich werde heute eine einfache Soutane tragen. Die, die ich anhabe, reicht vollkommen. Dazu mein Kreuz und die Sandalen.«
Der Sekretär blickte entsetzt auf die ausgetretenen Sandalen des Papstes. »Heiliger Vater, die internationale Presse, Fernsehteams und Fotografen aus der ganzen Welt werden zuschauen …«
»Dann sehen sie das, was sie schon längst hätten sehen sollen – dass der Stellvertreter Christi auf Erden solche Gewänder nicht nötig hat. Abermillionen Menschen hungern und haben kein Dach über dem Kopf. Warum sollte ich prächtige Gewänder tragen und die Armen verhöhnen?«
»Aber, Heiliger Vater …«
»Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.« Der Papst drehte sich zu Ryan um. »Verschieben Sie die Versammlung in der Sixtinischen Kapelle. Ich sage Ihnen Bescheid, sobald Sie die Kardinäle rufen können.«
»Gibt es Probleme, Heiliger Vater?«
»Ich wäre gerne noch ein paar Minuten allein, um mit Kardinal Kelly zu telefonieren. Dann möchte ich in der Sixtinischen Kapelle beten. Sobald die Kardinäle versammelt sind, werde ich eine wichtige Erklärung abgeben.«
Ryan verneigte sich. »Gewiss. Was ist mit den Kardinälen Kelly und Cassini?«
»Nehmen Sie die beiden fest.«
117.
» Sie haben die Schriftrolle versteckt?« Jack war völlig verwirrt. »Das begreife ich nicht. Das Pergament, das ich gefunden habe, war echt. Die C14-Analyse hat es bewiesen.«
»Natürlich ist die Schriftrolle echt, Cane. Genauso wie alle anderen Urkunden, die in Qumran entdeckt wurden. Dort hat man die Schriftrolle vor ein paar Monaten gefunden.«
»Wer hat sie entdeckt?«
»Josuf, der beduinische Vorarbeiter. Er hatte eine Kopie des Plans gesehen, auf dem jene Bereiche eingezeichnet waren, an denen die Grabungen stattfinden sollten. Auf meinen Befehl hin hat er nachts heimlich gegraben. Einige der Wachen sind Beduinen und haben ein Auge zugedrückt. Nachdem Josuf die Schriftrolle gefunden hatte, ließ ich sie teilweise übersetzen.«
»Und dabei haben Sie erkannt, wie brisant der Inhalt ist?«
Hassan nickte. »Ich hatte mein Leben lang auf einen solchen Fund gehofft. Deshalb habe ich auf einen günstigen Augenblick gewartet und ließ die Schriftrolle wieder vergraben, als hätte ich sie nie gefunden.«
»Aber warum?«
»Ich wollte, dass Sie die Schriftrolle finden, Cane.«
»Warum gerade ich?«
Hassan zog an seiner Zigarette und blies den Rauch aus. »Weil Sie als Archäologe Glaubwürdigkeit genießen. Und weil ich wusste, dass Sie alles dafür tun würden, den Inhalt der Schriftrolle publik zu machen.«
»Warum möchte ausgerechnet ein Beduine, dass der Inhalt öffentlich gemacht wird?«
In Hassans dunklen Augen loderte Zorn. »Ich könnte Ihnenviele Gründe nennen, Cane. Die Israelis zerstören arabische Siedlungen. Sie töten mein Volk und werfen meine Brüder ins Gefängnis. Sie stehlen Land, das seit undenklichen Zeiten den Beduinen gehört hat, bis die Juden es für sich beansprucht haben, so wie vor Jahrhunderten Ihre christlichen Kreuzritter. Selbst heute noch unternehmt ihr Christen nichts gegen diese Plünderungen, außer Lippenbekenntnisse abzugeben.«
»Dann geht es Ihnen um Rache?«
Hassan schüttelte den Kopf. »Nein. Es geht um die Wiedergutmachung des Unrechts, das uns während
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