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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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schweben.
    Irene lag lange da und starrte ins Dunkel. Es war kein angenehmer Gedanke, Geheimnisse innerhalb der Familie zu haben. Aber Krister hatte unglaublich viel Stress auf der Arbeit. Ihm konnte sie das hier wirklich ersparen. Hoffentlich war Jennys Begeisterung für die Tierbefreiungsfront vorbei. Vegan würde sie wahrscheinlich weiterhin bleiben, und das würde schon genug Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Vater verursachen. Nein, es war das Beste, ihn aus dieser Sache herauszuhalten.
    Nach einer Weile ergriff sie erneut Unruhe. Wo war Katarina nur so lange gewesen? Die Mädchen gingen zwar inzwischen in die achte Klasse und waren in einem Monat fünfzehn, aber für einen Wochentag war elf Uhr zu spät zum Nachhausekommen. Vielleicht hatte sie den Abend gar nicht dort verbracht, wo sie hatte sein wollen? Was tat sie eigentlich in letzter Zeit? Hatte sie einen neuen Freund? Irene war mit einem Mal hellwach und begann sich immer schlimmere Szenarios auszumalen. Hatte sie den Mädchen auch gründlich genug erklärt, wie wichtig es war, ein Kondom zu verwenden? Aids. Geschlechtskrankheiten. Sie musste sich wirklich darum kümmern, welche Verhütungsmittel für junge Mädchen am besten waren. Schließlich beruhigte sie sich wieder. Sie sollte ihren Töchtern einfach vertrauen. Wahrscheinlich wussten sie mehr als sie selbst. Aber mit ihnen sprechen sollte sie wohl doch einmal.
    Im Übrigen war es vielleicht nur gut, dass Katarina so spät nach Hause gekommen war. Sie würde kein größeres Interesse haben, ein Wort über diesen Abend zu verlieren. Alle hatten sie ihre kleinen Geheimnisse.
     
    Der Film im Kanal 5 war zu Ende. Siv Persson war guter Dinge und in der Tat sogar etwas müde. Sie hatte sich eine Liebesgeschichte angesehen und keinen Krimi mit Mord und Todschlag. Alles, was sie an die Ereignisse der vergangenen Woche erinnern konnte, versuchte sie konsequent zu vermeiden. Und das war ihr richtig gut gelungen, fand sie. Ihre Angst war nicht mehr so groß, und es vergingen ganze Stunden, in denen sie nicht an die Löwander-Klinik denken musste. Jetzt wollte sie versuchen, sich die letzten Tage bis zur Staroperation ein bisschen zu erholen.
    Sie hatte die Bilder der Mordnacht immer noch deutlich vor Augen. Besonders vor dem Einschlafen. Dann waren sie genauso deutlich wie das Bild ihres übergroßen Fernsehers.
    Das kalte Mondlicht fiel auf die große blonde Frau in der Schwesterntracht. Sie hatte das Gesicht abgewandt. Aber als Siv aufschrie, drehte sie etwas den Kopf. Eine weitere leichte Drehung, und Siv würde sie wieder erkennen … In diesem Augenblick versagte jedoch immer ihre Erinnerung.
    Siv Persson stand auf, um in die Küche zu gehen. Es war fast elf, und sie wollte ihre Nachtmedizin vorbereiten. Sie legte die Tabletten immer in einen Eierbecher und stellte diesen zusammen mit einem Glas Wasser auf den Nachttisch. Seit sie vor dem Einschlafen nicht mehr lesen konnte, lag sie immer noch eine Weile wach und hörte im Radio klassische Musik. Wenn es dann auf Mitternacht zuging, nahm sie ihre Tablette. Mit ihrer Hilfe konnte sie dann bis etwa acht Uhr schlafen.
    Siv Persson hatte gerade die kleine Tablette in den Porzellaneierbecher gelegt, als es leise an der Wohnungstür klopfte. Erst war sie sich nicht sicher, wirklich richtig gehört zu haben, sondern blieb nur wie angewurzelt mit dem geöffneten Tablettenröhrchen in der Hand neben dem Küchentisch stehen. Nach einer Weile wurde wieder geklopft, ebenso leise. Ihr Herz schlug schneller, und sie spürte, wie ihre Angst an Intensität zunahm. Sie erinnerte sich an die Worte des Polizisten: »Es gibt nur zwei Zeugen, die den Mörder in der Mordnacht gesehen haben. Die Stadtstreicherin ist tot. Nur Sie sind noch am Leben. Seien Sie vorsichtig.«
    Warum klopfte jemand bei ihr um diese Tageszeit an? Sie erwartete wirklich keinen Besuch.
    Ihr Mund war vollkommen trocken, ihre Zunge klebte am Gaumen, und sie bekam fast keine Luft mehr. Es hatte keinen Sinn zu schreien, und selbst wenn sie es versucht hätte, hätte sie keinen Ton herausgebracht. Wen sollte sie anrufen? Wer konnte ihr helfen? Die Nachbarn kannte sie kaum. Sie grüßten sich auf der Treppe, aber das war schon alles. Die Polizei? Die glaubten ohnehin schon, dass sie verrückt war. Vorsichtig schlich sie sich zur Tür und schaute durch den Spion.
    Es war niemand. Niemand stand vor der Tür. Beinahe hätte sie vor Erleichterung laut gelacht. Aber das Lachen blieb ihr im Hals stecken. Sie sah

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