Der zweite Mord
zwar schlecht, hatte aber ein ausgezeichnetes Gehör. Das Geräusch war fast nicht zu hören. Es konnte nur von jemandem wahrgenommen werden, der alle seine Sinne angespannt hatte. Kleider raschelten. Jemand stand draußen an die Wand neben ihrer Tür gedrückt. Jemand wartete darauf, dass sie die Tür öffnen würde.
Ihr Herz fing an zu rasen und es sauste ihr in den Ohren. Nein, nur jetzt nicht ohnmächtig werden! Nicht ohnmächtig werden! Sie holte ein paar Mal tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Die Tür war solide und mit einem ausgezeichneten Sicherheitsschloss versehen. Sie hatte von innen abgeschlossen, was man eigentlich nicht tun sollte, da das bei einem eventuellen Brand sehr gefährlich werden konnte. Aber Siv hatte das seit dem Mord an Marianne Svärd immer getan.
Ihr Puls hatte sich wieder verlangsamt, als sie plötzlich bemerkte, das die Klappe des Briefeinwurfs einen Spalt weit geöffnet wurde. Das knarrte ganz leise. Entsetzt wurde sich Siv bewusst, dass der Mörder ihre Füße sehen konnte. Schnell trat sie einen Schritt zurück. Langsam wurde die Klappe wieder geschlossen. Eilige Schritte waren auf dem Steinfußboden des Treppenabsatzes Richtung Treppe zu hören. Erst war Siv Persson wie gelähmt, aber als sie die Schritte auf der Treppe hörte, lief sie eilig zum Spion.
Sie sah gerade noch einen dunklen Hut mit abwärts gebogener Krempe nach unten verschwinden. Unter der Krempe schimmerte blondes Haar.
KAPITEL 17
Kalter Regen fiel von einem dunkelgrauen Himmel. Es würde einer dieser Tage werden, an dem man überhaupt keine Lust hatte, die Rollos zu öffnen.
Irene starrte düster in den ersten Becher Kaffee des Tages. Die Wunde vom Schlag auf den Hinterkopf tat immer noch weh. Sie hatte trotzdem bis halb sieben schlafen können.
Als sie aufgewacht war, hatte sie sich krank gefühlt. Ihr Hinterkopf schmerzte, die Augen waren verklebt, und sie hatte einen Geschmack im Mund, als hätte dort ein Maulwurf das Zeitliche gesegnet. Nach ihrem Mundgeruch zu urteilen war er bereits stark verwest. Das hatte sie davon, dass sie vergessen hatte, sich vorm Zubettgehen die Zähne zu putzen.
Krister neben ihr schlief tief. Er merkte nicht, dass sie aufstand. Nach einer schnellen Dusche und einem hastigen Make-up ging sie nach unten und machte das Frühstück. Die Zwillinge kamen gegen sieben angetrödelt. Katarina schluckte die Geschichte von Jennys Malheur auf der Treppe. Wie Irene vermutet hatte, ging Katarina schnell dazu über, über etwas anderes zu reden.
Göteborgs-Posten warb mit der Schlagzeile: »Militante Veganer setzen Lastwagen in Brand.« Darunter stand in etwas kleineren Buchstaben: »Die Polizei glaubt, die Täter gefasst zu haben.« Jenny faltete die Zeitung eilig so zusammen, dass die Vorderseite nach innen kam.
Im Präsidium war die Stimmung gedämpft. Die Ermittlungsgruppe begnügte sich mit einer kurzen Morgenbesprechung. Kommissar Andersson konnte nur mitteilen, dass die Spurensicherung ein paar neue Anhaltspunkte gefunden hätte. In der einen Reisetasche hatten ein paar lange blonde Haare gelegen. Die Haare waren neueren Datums, nicht dauergewellt, gefärbt und etwa zwanzig Zentimeter lang. Möglich, dass sie von einer Perücke stammten. Haarproben von sämtlichen Damen, die im Zusammenhang mit der Ermittlung interessant waren, sollten eingesammelt werden. Fingerabdrücke ebenfalls, da sie auf der Innenseite des Verschlusses der einen Reisetasche einen Satz frische und deutliche Abdrücke gesichert hatten. Fredrik Stridh erhielt die Aufgabe, sich darum zu kümmern.
Die »Ghostbusters« konnten den Inhalt der Taschen im Labor abholen, falls sie das wollten. Sie wollten.
Hannu, Tommy und Irene bekamen vier Papiertüten ausgehändigt. Irene nutzte die Gelegenheit, beide Taschen genauer in Augenschein zu nehmen, ehe sie gingen. Sie waren größer als die von Lovisa Löwander. Die eine war aus dickem Leder mit gediegenen Beschlägen an den Ecken. Am Rand der Tasche war das Monogramm »H. L.« Offenbar hatte sie Hilding Löwander gehört.
Die andere war aus stabiler gelbgrauer Pappe. Sie wurde von zwei breiten Lederriemen umschlossen. Ein Adressenanhänger mit einem vergilbten Zelluloidfenster war am Handgriff befestigt. Der Name Tekla Olsson ließ sich erkennen. Er war in zierlicher Handschrift in schwarzer Tinte geschrieben, die über die Jahre braun geworden war.
»Mit wem fangen wir an?«, fragte Tommy.
Er hatte die vier Tüten auf seinen Schreibtisch
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