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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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steckte.«
    Höök sah mit erneutem Interesse auf den Stapel Papiere. Ohne mit dem Lesen innezuhalten, sagte er wie beiläufig:
    »Und wieso ist der Grund für einen alten Selbstmord von Interesse?«
    »Ehrlich gesagt wissen wir das nicht. Aber wir glauben, dass Sie in Ihrem Artikel gar nicht so danebengelegen haben. Der Mörder war in eine alte Schwesterntracht gekleidet, damit man ihn für Schwester Tekla hielt. Wir glauben, dass Mama Vogel ihn in der Mordnacht gesehen hat. Wir glauben, dass der Mörder bereits vor den Morden von Gunnelas Existenz wusste, da er so schnell darauf kam, dass sie die ›Zeugin, die anonym bleiben will‹, sein musste.«
    Hööks Miene verdunkelte sich. Er sah schuldbewusst aus.
    »Es ist gar nicht sicher, dass mein Artikel den Tod dieser Vogelfrau verursacht hat.«
    »Nein. Das werden wir wohl nie mit Sicherheit herausfinden. Das sind alles nur Hypothesen.«
    Schweigend fuhr er fort, die Briefe ein weiteres Mal durchzulesen. Schließlich schüttelte Höök den Kopf und sagte:
    »Nein. Die Briefe geben keine Anhaltspunkte. Es müssen die Gedichte sein.«
    »Die Gedichte?«
    »Jeder Brief beginnt mit einem Gedicht. Vielleicht war das der Trick, den Tekla und Anna verwendeten, um Dinge nicht direkt sagen zu müssen.«
    »Vielleicht. Aber Anna hat in den Briefen, die Tekla aufgehoben hat, keine Gedichte geschrieben.«
    »Aber Tekla in denen, die Anna aufgehoben hat«, meinte Kurt Höök.
    Das war Irene gar nicht aufgefallen. Sie überflog rasch die kurzen Gedichte, ohne dass ihr das weitergeholfen hätte. Als sie sie ein weiteres Mal langsam las, schienen einige von ihnen plötzlich zeitlich zu passen, da Irene einiges von dem wusste, was Tekla in dieser Zeit zugestoßen war.
    Das Gedicht im ersten Brief vom 19. Juli 1945 war ein fröhliches Sommergedicht und enthielt, so weit Irene sehen konnte, keine versteckte Botschaft. Dagegen wirkte der zweite Brief, der auf den 25. August 1945 datiert war, eindeutig verdächtig:
     
    So wie freundliche Abendsterne leuchten und ihren Schimmer in die Täler senden, hat er auf seine Dienerin geschaut, siehe, er sah sie an wie ein Liebender.
     
    Versuchte Tekla zu erzählen, dass ihr Hilding seine Liebe erklärt hatte? »Seine Dienerin« wirkte ziemlich unterwürfig, aber vielleicht erlebte Tekla ihr Verhältnis zu dem bedeutend älteren Oberarzt ja auf diese Weise.
    Die folgenden Gedichte schienen ebenfalls nicht auf eine Liebesbeziehung anzuspielen, aber das Gedicht im vierten Brief, das auf den 10. Oktober 1945 datiert war, machte Irene stutzig:
     
    Nimm mich. – Halte mich. – Liebkose mich langsam.
    Umarme mich vorsichtig eine Weile.
    Weine ein wenig – um diese traurigen Umstände.
    Schau mich zärtlich an, wie ich schlummere.
    Verlass mich nicht. – Du wirst doch bleiben,
    bleiben, bis ich selbst gehen muss.
    Leg deine geliebte Hand auf meine Stirn.
    Noch eine kleine Weile sind wir zwei.
     
    »Das hier klingt nicht wie ein Liebesgedicht. Das ist … so leidvoll und traurig«, sagte Irene.
    Höök nickte.
    »Es war ganz klar eine unglückliche Liebe. Schließlich hat sie sich das Leben genommen.«
    Ihre Liebe hatte Tekla sicher großes Leiden verursacht. Die Liebe zu einem Mann, den sie nicht bekommen konnte, und die unerträgliche Trauer, das Kind, das sie geboren hatte, nicht behalten zu dürfen. Aber das kam erst viel später. Es war also offenbar das Verhältnis mit Hilding, das Tekla mit diesen Gedichten beschrieb. Irene musste sich eingestehen, dass Höök Intuition besaß. Das war bei einem Journalisten sicher eine unschätzbare Eigenschaft.
    Die Gedichte in den Briefen von Januar bis April 1946 schienen, so weit Irene das erkennen konnte, nicht auf irgendein Liebesverhältnis hinzuweisen. Dagegen hätte das Gedicht vom 7. Juni 1946 nicht eindeutiger sein können:
     
    Er kam wie ein Wind.
    Was kümmert sich der Wind um Verbote?
    Er küsste meine Wange,
    er küsste alles Blut von meiner Haut.
    Dabei hätte es bleiben sollen:
    er gehörte ja einer anderen, war nur geliehen,
    einen Abend in der Zeit des Flieders
    und in dem Monat des Goldregens.
     
    »Das ist ja allerhand! Das kenne ich! Das ist von Hjalmar Gullberg. Deutlicher kann sie doch wohl nicht werden? Sie fängt an, ihr Verhältnis zu bereuen, aber schiebt alles darauf, dass sie ihm nicht hätte widerstehen können. ›Er kam wie ein Wind …‹, und sie wurde einfach umgeweht!«, sagte Kurt Höök und lachte.
    »Hjalmar Gullberg. Einer der Lyrikbände war von ihm, wenn ich

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