Der zweite Mord
Tekla erinnern?«
»Schlecht. Er war sechs Jahre alt, als sie starb. Er sagt, dass er sich an eine Frau erinnern kann, die einmal Weihnachten bei ihnen war und die ganze Zeit geweint hat. Er glaubt, dass das Tekla war. Aber er hatte einige Briefe von Tekla, die seine Mutter aufgehoben hatte, und hat sie mir gefaxt. Und ich habe in einem Umschlag eine Fotografie von Tekla gefunden.«
Er reichte Irene die Papiere. Obenauf lag mit dem Bild nach unten eine Fotografie. In ordentlicher Schrift stand auf der Rückseite: »Tekla Olsson. Schwesternexamen Juni 1934.« Irene drehte das Bild um.
Obwohl das Foto in all den Jahren vergilbt war, sah sie es sofort. Die Einsicht machte sie ganz benommen, und sie ertappte sich dabei, wie sie die Luft anhielt. Sie zwang sich dazu, tief durchzuatmen, ehe sie sagte:
»Tekla ist Sverkers Mutter.«
Erstaunt sahen sie ihre beiden Kollegen an.
»Wie kannst du das behaupten?«, fragte Tommy.
»Die Augen. Es sind ihre Augen.«
Tommy riss das Bild an sich und betrachtete es eingehend.
Die weiße Haube mit dem schwarzen Band saß tadellos auf dem stramm hoch gesteckten blonden Haar. Die Gesichtszüge waren regelmäßig und die Zähne in dem lachenden Mund fehlerfrei. Tekla Olsson war eine Schönheit gewesen. Obwohl das Foto nur schwarzweiß und außerdem vergilbt war, hegte Irene keine Zweifel, was die Augenfarbe betraf. Grünblau wie klares Meerwasser.
»Gib mir Kraft und Stärke! Davon hatte Sverker Löwander sicher keine Ahnung! Wir haben gerade herausgefunden, dass Lovisa Löwander steril war und unmöglich Kinder bekommen konnte.«
Hannu sah sie nachdenklich an.
»Das müsste er wissen. Beide Eltern sind schließlich tot. Ob es sich um leibliche oder adoptierte Kinder handelt, steht auf dem Totenschein. Und die Totenscheine seiner Eltern müsste er gesehen haben.«
Sowohl Tommy als auch Irene sahen Hannu an. Schließlich war es Tommy, der die Frage stellte:
»Glaubst du, dass du diese beiden Totenscheine besorgen kannst …?«
Hannu nickte und verschwand durch die Tür.
Irene fing an wie wild in dem Ordner mit der Aufschrift »Persönlich« zu suchen. Da war etwas, was ihr hinter einem der Vorsatzblätter aufgefallen war. Da! Sie öffnete den Ordner ganz und nahm das Papier heraus.
Ganz oben auf dem vergilbten Blatt stand »Entbindungsprotokoll.«
»Seht her! Für Frau Lovisa Löwander gibt es ein Entbindungsprotokoll! Die Entbindung soll am 2. Januar 1947 im Sabbatsbergs-Krankenhaus in Stockholm stattgefunden haben. Hier stehen eine Menge seltsamer … Nullpara … Pelvimetrie ausgeführt … zeigt Anzeichen von … Hier! Der Knabe kommt ohne Komplikationen um 16.35 Uhr zur Welt. Geburtsgewicht 3340 Gramm.«
Irene schaut von dem Blatt aus der Krankenakte auf und sah Tommy an.
»Was bedeutet das? Wir wissen, dass Lovisa Löwander keine Kinder bekommen konnte. Mit größter Wahrscheinlichkeit sind Tekla Olsson und Hilding Löwander die Eltern von Sverker. Wie kann es da ein Entbindungsprotokoll für Lovisa geben?«
»Wer hat das Protokoll geführt?«
»Mal sehen … ach nee! Unser Freund, der Gynäkologe von der Adoptionsbescheinigung taucht hier wieder auf! Ruben Goldblum!«
»Der gute alte Freund der Eheleute Löwander.«
»Er muss ihnen geholfen haben, das Entbindungsprotokoll zu fälschen.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Vielleicht war es ihnen lieber, Sverker als leibliches Kind laufen zu lassen.«
»Vielleicht. Und denk daran, dass sie das Eignungsattest für die Adoption nie abschickten. Es steckt noch immer im Ordner.«
Beide grübelten einen Augenblick.
»Wenn Hilding Sverkers leiblicher Vater war, dann hätte er seinen eigenen Sohn nicht zu adoptieren brauchen. Aber Sverker kann nicht Lovisas Sohn gewesen sein. Das wissen wir. Also musste sie ihn adoptieren. Nicht wahr?«, sagte Tommy.
Irene dachte nach.
»Doch. So muss es sein.«
»Weißt du, was ich glaube. Dieses ganze Arrangement mit dem gefälschten Entbindungsprotokoll und dem Gerede, dass Lovisa während der Schwangerschaft und bei der Entbindung von Spezialisten behandelt worden sei, war nur der Versuch, einen Skandal zu vertuschen. Den Skandal, dass Hilding eine andere Frau geschwängert hatte.«
»Es kann sich auch um den innerlichen Wunsch von Lovisa gehandelt haben, ein Kind zu bekommen. Egal wie. Eine andere Möglichkeit gab es für sie zu dieser Zeit nicht. Ich vermute, dass man heute einer sterilen Frau befruchtete Eier in die Gebärmutter implantieren kann.«
»Sicherlich. Ich glaube,
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