Der zweite Mord
fünf Kilometer, aber das musste an diesem Tag reichen. Vielleicht sollte sie Krister auf seinem Spaziergang mit Sammie am Nachmittag Gesellschaft leisten? Vorher wollte sie aber noch versuchen, die Frage zu klären, die ihr keine Ruhe ließ.
Zurück im Reihenhaus duschte sie und machte Frühstück. Krister kam nach unten, und sie tranken Kaffee und einigten sich, wer welchen Teil der Zeitung bekommen würde. Als sie mit dem Frühstück fertig waren, sagte sie:
»Ich fahre eine Stunde rüber ins Büro. Wir sind Freitagabend nicht ganz fertig geworden, und da ist etwas, was ich gerne bis morgen noch erledigt hätte.«
Krister nickte und sagte:
»Tu das. Ich gehe in einer halben Stunde schwimmen. Du kannst mich bis nach Frölunda mitnehmen. Ich fahre dann mit dem Bus nach Hause.«
Die Sachen lagen immer noch auf dem Schreibtisch, genauso, wie sie sie zurückgelassen hatte. Sorgfältig begann Irene damit, Teklas Hinterlassenschaft wieder in die Tüten zu packen. Gleichzeitig versuchte sie, darauf zu kommen, was wohl in ihrem Gepäck fehlen könnte.
Als Erstes legte sie die Lyrikbände und Papiere in die Tüten, dann die Kleider. Die braunen Schuhe, die Jacke, die Unterwäsche, das Nachthemd … Was fehlte? Was müsste noch dabei sein?
Irene setzte sich auf ihren Stuhl und dachte nach. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie wusste jetzt, was bei Teklas Siebensachen fehlte.
Als Tekla auf dem Speicher gefunden worden war, hatte sie laut Siv Persson ihre Wochentagstracht getragen, das helle graublaue Kleid, die Haube und die Schürze. Also hätte ihre Schwesterntracht für Festtage immer noch in der Tasche liegen müssen. Das war jedoch nicht der Fall, da der Mörder sie herausgenommen und in der Mordnacht getragen hatte. In der Tasche hatte sicher auch die feinere Haube gelegen. Und schwarze Schuhe. Das hatte der Mörder also aus Teklas Tasche herausgenommen.
Die Morgenbesprechung hatte einen deutlichen Montagscharakter. Die meisten saßen da, konnten nur mit Mühe die Augen offen halten und versuchten, ihre Gehirnzellen mit Kaffee zu aktivieren. Wie immer sah nur Fredrik Stridh ausgeschlafen und wie aus dem Ei gepellt aus. Er wirkte wie eine Reklame für einen vitaminreichen Energietrunk, fand jedenfalls Irene in ihrer morgendlichen Übellaunigkeit. Sie selbst war ziemlich ausgeschlafen, obwohl es spät geworden war. Krister hatte nach der ganzen Bewegung ziemlich viel überschüssige Energie gehabt und den ersten Tag seines neuen Lebens damit gekrönt, dass er sich mit seiner Frau leidenschaftlicher und wollüstiger Liebe hingegeben hatte. Es hätte Irene nicht verwundert, wenn er sich jetzt ein paar Tage krankschreiben lassen musste. Aber es war wirklich herrlich gewesen …
Sie wurde von Fredriks munterer Stimme in die Gegenwart zurückgerissen:
» …niemand hatte irgendwelche Einwände. Ich bekam Fingerabdrücke und Haare sowohl von Doris Peterzén als auch von Barbro Löwander. Carina Löwander habe ich erst Freitagabend angetroffen. Sie fragte, wozu ich Proben von ihrem Haar und ihre Fingerabdrücke brauchte. Ich sagte, wie es ist, dass wir Spuren am Tatort gesichert hätten. ›Welchem Tatort? Meinen Sie die Reisetaschen auf dem Speicher?‹, wollte sie wissen. Ich fragte, ob sie etwas von den Reisetaschen wüsste. ›Natürlich. Die Schlüssel waren weg, also habe ich sie aufgebrochen, antwortete sie da. Angeblich hat sie nach Plänen des Krankenhauses gesucht. Sie plant irgendeinen Umbau.«
»Zum Fitnesscenter«, warf Irene ein.
»Klingt wie ein Bordell«, meinte Jonny grinsend.
»Wann hat sie die Taschen aufgebrochen?«, wollte Irene wissen.
»Weihnachten.«
»Hat sie die Pläne gefunden?«
Fredrik machte ein langes Gesicht, als er erwiderte:
»Ich habe nicht daran gedacht, ihr diese Frage zu stellen.«
Irene überlegte. Jetzt wussten sie, wer die Taschen aufgebrochen hatte. Sie wussten auch, was in Hildings Tasche fehlte. Irgendwelche Pläne der Klinik hatten sie nicht gefunden. Hatte Carina auch Teklas Kleider genommen? Nicht notwendigerweise, aber sie hatten jetzt wirklich allen Grund, sich erneut mit Carina Löwander zu unterhalten.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Kommissar Andersson:
»Diese Carina sollten wir einmal näher unter die Lupe nehmen. Obwohl ich kaum glauben kann, dass eine Frau drei andere Frauen ermordet. Erdrosseln ist nicht gerade eine weibliche Mordmethode.«
»Wie sehen weibliche Mordmethoden denn aus?«, wollte Birgitta
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