Der zweite Mord
zurück und klaubte das Pizzastück, das übrig geblieben war vom Teller.
Sie fuhren zum Harlanda Tjärn. Irene hatte das Gefühl, dass eine Dosis frische Luft ihre Gedanken klären könnte. Ein Spaziergang würde ihr hoffentlich dabei helfen, die Pizza zu verdauen.
Sie stellten ihren Wagen ab und gingen in die von Raureif bedeckte Natur. Irene stampfte versuchsweise mit dem Fuß auf die steinharte Erde und sagte:
»Das ist wirklich ein Problem mit dieser Kälte. Heute Nacht waren es minus fünfzehn Grad. Die Erde um die Klinik herum ist gefroren, da werden keine Spuren zu finden sein. Und Schnee liegt noch keiner.«
»Das ist wahr. Ich frage mich, ob Malm drinnen irgendwelche Spuren gesichert hat. Er hat versprochen, morgen früh bei der Lagebesprechung aufzutauchen.«
»Vielleicht stößt die Stridner heute Nachmittag bei der Obduktion auf was.«
Anderssons Miene verfinsterte sich, als der Name der Professorin fiel.
»Ich ruf sie an, obwohl ich mir Schöneres vorstellen kann«, seufzte er.
Schweigend gingen sie den zugefrorenen See entlang. Die Sonne schien schwach durch einen dünnen Wolkenschleier, und die Eisdecke des Sees glitzerte. Die Kälte schmerzte an Nase und Wangen. Irene holte tief Luft. Eine Weile lang glückte es ihr tatsächlich, sich vorzustellen, dass die frische und schneidende Luft, die sie in die Lungen bekam, vollkommen sauber war. Fast wie die beim Sommerhaus ihrer Schwiegereltern tief in den Wäldern von Värmland. Doch dann riss sie die Stimme des Kommissars aus ihren Naturträumen.
»Lass uns zurückfahren. Die Spätschicht müsste bald da sein.«
Nur auf der Station und auf der Intensiv gab es eine Spätschicht. Diese arbeitete bis halb zehn, dann übernahmen die Nachtschwestern.
»Arbeitet Siv Persson heute Nacht auch?«, begann der Kommissar.
»Nein. Sie hat sich krankschreiben lassen, ehe sie heute Morgen nach Hause gegangen ist. Wir haben eine Vertretung besorgt. Aber es sieht so aus, als käme meine Ablösung ebenfalls nicht«, sagte Schwester Ellen.
Ihre Stimme klang müde und bekümmert.
»Linda?«, warf Irene ein.
»Ja. Sie hätte um zwei hier sein sollen. Jetzt ist es fast halb drei. Ich habe gerade bei ihr zu Hause angerufen. Da nimmt niemand ab.«
»Wie heißt sie mit Nachnamen?«, wollte Irene wissen.
»Svensson.«
»Hat sie Familie?«
»Ja. Einen Freund. Aber der ist auch nicht zu Hause. Wenn sie nur keinen Unfall hatte. Sie fährt immer Fahrrad.«
»Auch bei minus fünfzehn Grad?«
»Ja.«
»Aha. Dann müssen wir wohl auf Schwester Linda warten. Wir können so lange auf die Intensiv gehen und dort mit der Ablösung sprechen«, schlug Irene ihrem Chef vor.
Schnell sagte der Kommissar:
»Tu du das, dann warte ich auf Schwester Linda. Ich würde gerne einen Moment mit Schwester Ellen sprechen. Ist das in Ordnung?«
»Ja … doch … wenn Linda kommt, dann ist das kein Problem. Aber jetzt bin ich allein auf der Station, und es muss einiges getan werden …«
»Gibt es mehrere Ärzte hier, oder ist Dr. Löwander allein?«
Schwester Ellen war aufgestanden und hatte den Medizinschrank aufgeschlossen. Sie zog eine Spritze auf, schlug mit dem Zeigefinger dagegen, um alle Luftblasen zu entfernen, und antwortete:
»Wir haben auch eine Internistin. Sie arbeitet nur einen Tag in der Woche. Wir haben hier in der Klinik schließlich nie stationäre internistische Patienten. Es ist mehr eine Dienstleistung für unsere Patienten, die lieber hierher als in eine Kassenarztpraxis kommen. Sie berät uns natürlich auch vor größeren Operationen in internistischen Fragen. Dann gibt es noch einen Anästhesisten, der fest angestellt ist, also einen Narkosearzt. Er heißt Konrad Henriksson. Und dann ist da natürlich noch Dr. Bünzler. Er ist unser begabter plastischer Chirurg.«
»Ist Dr. Löwander nicht auch plastischer Chirurg?«
Schwester Ellen sah den Kommissar mit ihren wachen braunen Augen an. Irene merkte, dass Andersson leicht errötete.
»Nein. Er ist Chirurg. Aber da es auf diesem Gebiet nicht mehr so viel zu tun gibt, hat er ebenfalls begonnen, kleinere plastische Eingriffe vorzunehmen.«
Sie kontrollierte noch einmal, dass in der Spritze keine Luftbläschen mehr waren, indem sie sie gegen die Deckenlampe hielt und den Inhalt genau betrachtete.
Irene, die ihre Heiterkeit kaum unterdrücken konnte, meinte amüsiert:
»Dann macht er also keine Rhinoplastiken?«
Schwester Ellen warf ihr einen Blick zu und sagte lächelnd:
»Nein. Entschuldigen Sie
Weitere Kostenlose Bücher