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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Mögliche Platz gefunden. Kartons mit Glühbirnen, ein Stahldraht zum Reinigen von Abflüssen, Drahtrollen und ein Karton mit der Aufschrift »Flaggen«. Auf dem Schreibtisch standen eine alte braune Bürolampe und eine Kaffeemaschine. Irene zog die Schreibtischschubladen heraus, fand aber nur eine Dose Schnupftabak, einige Rechnungen und Bestellungen, Stifte und zwei alte zerlesene Sportzeitschriften. Die oberste Schublade war verschlossen und ließ sich mit keinem einfachen Trick öffnen. Irene wollte gerade einen neuen Versuch wagen, da gab Tommy ihr ein Zeichen. Schwere Schritte waren auf der Kellertreppe zu hören. Irene machte einen Schritt vom Schreibtisch weg, wandte ihm den Rücken zu und tat so, als würde sie durch das Kellerfenster schauen. Laut sagte sie:
    »Man sieht gerade noch die Baumwipfel im Park.«
    »Man wird nicht gerade von der Aussicht verwöhnt«, ließ sich eine Bassstimme von der Tür her vernehmen.
    Irene drehte sich halb um und tat überrascht.
    »Guten Tag. Nach Ihnen suchen wir.«
    Sie lächelte und streckte die Hand aus.
    »Irene Huss, Kriminalinspektorin. Wir haben uns Dienstag früh bereits gesehen, aber noch nicht miteinander gesprochen.«
    »Folke Bengtsson. Dafür haben eine ganze Menge andere Polizisten mit mir geredet.«
    Sie schüttelten sich die Hand. Tommy Persson und Folke Bengtsson stellten sich ebenfalls vor. Ohne zu fragen, ob sie auch wollten, nahm Bengtsson die Glaskanne der Kaffeemaschine und verschwand auf dem Korridor. Sie hörten, wie auf der anderen Seite der Wand Wasser lief. Der Hausmeister war einen Augenblick später zurück und füllte mit einem Kaffeemaß duftendes Kaffeepulver in einen Papierfilter. Ohne sich dessen bewusst zu sein, gewann Folke Bengtsson dadurch Pluspunkte. Jemand, der ungefragt Kaffee aufsetzte, musste einfach okay sein. Dieser Meinung war zumindest Irene. Ihr Kaffeedurst war bereits wieder beträchtlich.
    Folke Bengtsson war fast sechzig, kahlköpfig und untersetzt. Er erinnerte an einen kräftigen Baumstumpf. Irene, die selbst viel trainierte, war sich sicher, dass er immer noch Sport trieb. Deswegen meinte sie einleitend:
    »Die Plakate von der Leichtathletik-WM sind wirklich sehr schön. Dummerweise habe ich selbst keine aufgehoben.«
    »Ich habe damals Urlaub genommen und mir die meisten der Wettkämpfe angesehen«, erwiderte Bengtsson zufrieden.
    »Treiben Sie selber noch Sport?«
    »Nicht mehr. Aber ich bin viele Jahre Ringer gewesen und habe die Jungs teilweise auch selbst trainiert. Jetzt begnüge ich mich mit Gewichtheben.«
    Nach den Bizepsen unter dem blau karierten Flanellhemd zu urteilen schien er das ziemlich oft zu tun. Er gab Irene und Tommy weiße Plastikbecher. Er selbst hatte eine große Porzellantasse mit Aufschrift »I’m the boss«. Mit einem Schlüssel von dem großen Schlüsselbund, den er am Gürtel hängen hatte, öffnete er die oberste Schreibtischschublade. Irene beugte sich etwas vor und sah hinein. Hier lagen eine Rolle Kekse und eine Menge Schlüssel. Bengtsson nahm die Kekse heraus und schloss die Schublade wieder.
    »Entschuldigen Sie, Herr Bengtsson. Die Sache mit den Schlüsseln brennt uns natürlich auf den Nägeln«, sagte Irene.
    Sie nahm dankend einen Keks und atmete genüsslich das herrlich Kaffeearoma ein. Dann fuhr sie fort:
    »Wie Sie wissen, hat es den Anschein, als hätte Marianne Svärds Mörder Schlüssel zum Krankenhaus besessen. Nirgendwo wurden die Schlösser beschädigt. Ich frage mich, ob es für das Krankenhaus einen Generalschlüssel gibt?«
    »Ja. Zwei Stück. Ich habe einen und Dr. Löwander den anderen.«
    »Was hat das übrige Personal für Schlüssel?«
    »Einen für die Außentüren. Derselbe Schlüssel passt für das Hauptportal, den Personaleingang sowie für den Umkleideraum im Keller. Dann haben sie noch einen Schlüssel für die Station, auf der sie arbeiten.«
    »Das Personal auf der Pflegestation hat also einen Schlüssel für diese, die OP-Schwestern haben einen für die Operationssäle und so weiter?«
    »Genau.«
    »Aber in der Schublade gibt es Reserveschlüssel für sämtliche Stationen?«
    »Ja. Aber nur ich habe einen Schlüssel für diesen Keller. Und ich schließe immer ab, bevor ich nach Hause gehe. Diese Schreibtischschublade ist immer verschlossen, und nur ich habe den Schlüssel.«
    Bengtsson schien über seine uneingeschränkte Macht an der Schlüsselfront sehr zufrieden zu sein.
    »Aber als wir jetzt gekommen sind, war nicht abgeschlossen.«
    »Nein.

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