Der zweite Mord
die beiden nie.«
Tommy schaute bitter und anklagend auf das Telefon, als würde es das Sozialamt repräsentieren.
»Das Sozialamt können wir also vergessen«, stellte Irene fest.
Er nickte achselzuckend.
»Scheint so. Wir werden natürlich bei allen Verwaltungsbezirken nachfragen. Aber darauf gebe ich nicht viel.«
»Was machen wir dann?«
»Heilsarmee oder Stadtmission.«
»Sollten wir nicht erst etwas essen gehen?«
»Yes.«
Es war fast drei Uhr, als sie ihren Wagen vor dem Polizeipräsidium abstellten. Tommy wollte weiter wegen Mama Vogel herumtelefonieren. Er lieh sich Birgittas und Fredriks Zimmer, da Irene Besuch bekommen würde. Irene wollte versuchen, noch einen Bericht zusammenzustellen, ehe Andreas Svärd auftauchte.
Punkt vier klopfte es an der Tür. Er war wie am Vorabend elegant gekleidet. Sein dunkelblauer Mantel, seine schwarze Hose und seine schwarzen Schuhe unterstrichen noch, wie bleich er war. Als er den Mantel auszog, sah Irene, dass er ein schwarzes Jackett, einen dunkelblauen Schlips und ein weißes Hemd darunter anhatte. Offenbar trug Andreas Svärd Trauer. Diese spiegelte sich auch in seinen Gesichtszügen wider. Seine Augen waren immer noch rot unterlaufen. Irene fragte sich, ob er wegen seiner heimlichen Mittagessen mit seiner Exfrau Streit mit Niklas bekommen hatte.
»Haben Sie etwas über den Mörder herausgefunden?«, begann Andreas Svärd ohne Umschweife.
»Nein. Wir haben aber einen Tipp bekommen. Es gibt eine Zeugin.«
»Die, von der gestern in der Zeitung stand?«
»Ja. Unter anderem.«
Irene war bewusst vage. Andreas Svärd schien der Mord zwar offenbar ziemlich mitgenommen zu haben, aber das konnte auch die Angst sein, dass die Polizei etwas herausfinden würde. Sie beschloss dem Anwalt gegenüber vorsichtig zu sein.
»Wie wurde aus Niklas und Ihnen ein Paar?«
»Hat das irgendeine Bedeutung für die Ermittlungen?«
»Absolut. Es war offenbar der Grund, warum Marianne im Östra aufhörte und in der Löwander-Klinik anfing.«
Er seufzte resigniert.
»Es war auf einer House-Warming-Party bei Marianne und mir. Wir hatten ein Haus in Hovas gekauft, und sie war … so froh.«
Seine Stimme brach und wurde undeutlich.
»Wir hatten keinen großen Bekanntschaftskreis und veranstalteten nie große Feste. Aber da wir jetzt Platz hatten, fand Marianne, dass wir ausnahmsweise einmal eine Riesenparty veranstalten sollten. Wir luden alle Freunde und Arbeitskollegen ein. Natürlich lud Marianne auch Niklas ein. So … lernten wir uns kennen.«
»Hatten Sie schon vorher einmal ein homosexuelles Verhältnis?«, fragte Irene vorsichtig.
Andreas Svärd zuckte zusammen.
»Nein.«
»Wann hat Marianne davon erfahren?«
»Nach einem halben Jahr. Es war wie immer. Alle wussten davon. Außer ihr. Ich versuchte mehrere Male, mit Niklas zu brechen, aber ich schaffte es nicht. Und Marianne …«
Er verstummte und schluckte.
»Wie nahm sie es auf?«
»Fürchterlich hart.«
Sie saßen eine Weile schweigend da, ehe er fortfuhr.
»Sie hielt es nicht aus, Niklas jeden Tag bei der Arbeit zu sehen. Deswegen hat sie in der Löwander-Klinik angefangen.«
»Wann haben Sie dann angefangen, sich wieder zu verabreden?«
»Wir haben uns die ganze Zeit regelmäßig getroffen. Außer dem ersten halben Jahr nach der Scheidung. Als mein Vater sechzig wurde, waren auch Marianne und ihre Eltern eingeladen. Unsere Eltern sind seit vielen Jahren befreundet. Sie sind Nachbarn. Wir haben angefangen, uns zu unterhalten, und sie war so … gut. Machte mir überhaupt keine Vorwürfe.«
»War Niklas ebenfalls auf diesem sechzigsten Geburtstag?«
»Nein.«
»Wie hat Niklas es aufgenommen, dass er nicht eingeladen war?«
Andreas seufzte tief.
»Er ist sehr impulsiv. Jedes Mal ist es gleich mühsam.«
»Ihre Familie hat ihn noch nicht kennen gelernt?«
»Nein.«
»Wie haben sich Marianne und Niklas verstanden?«
Andreas lächelte müde.
»Natürlich überhaupt nicht. Marianne versuchte vermutlich, sich neutral zu verhalten … aber Niklas … er wird immer gleich so wütend.«
»Warum haben Sie angefangen, sich mit Marianne zum Mittagessen zu treffen?«
Er schloss die Augen und schwieg lange.
»Wir hatten beide das Gefühl, dass wir uns sehen müssten. Es gab viel zwischen uns, was sich nicht einfach ausradieren ließ.«
»Trafen Sie sich zum Mittagessen immer im Restaurant? Waren Sie nie zu Hause bei Marianne?«
Er verstand sofort, worauf sie hinauswollte.
»Natürlich unterhielten wir
Weitere Kostenlose Bücher