Der zweite Mord
uns nur und aßen zusammen«, erwiderte er scharf.
Irene versuchte, ihre Frage deutlicher zu formulieren.
»Es war Marianne nie anzumerken, dass sie sich eventuell auch wieder ein sexuelles Verhältnis mit Ihnen vorstellen könnte?«
»Nein.«
Die Antwort kam kurz und schroff, aber er sah Irene nicht in die Augen. Er bewegte seine Finger nervös über den dunklen Stoff seiner Hose hin und her, als suche er dort nach Flusen oder Haaren, die nicht zu finden waren.
Irene beschloss weiterzubohren.
»Sie hat nie davon gesprochen, dass sie einen neuen Mann getroffen hat?«
Er sah sie überrascht an. Offenbar kam ihm dieser Gedanke vollkommen absurd vor.
»Nein. Nie.«
»Können Sie sich an das genaue Datum erinnern, wann Sie sie das letzte Mal gesehen haben?«
Er beugte sich hastig vor und öffnete seine winzige Aktentasche aus weichem, braunem Leder.
»Ich habe heute Morgen in meinem Kalender nachgesehen. Das war am Dienstag, dem 28. Januar.«
»Und da haben Sie im Fiskekrogen gegessen?«
»Ja.«
»Niklas wusste offenbar nicht, dass Sie sich so häufig trafen?«
»Nein. Ich sagte nur, dass wir uns ab und zu sehen würden.«
»Aber nicht, wie oft.«
»Nein.«
Hier war etwas, was sie nicht so recht formulieren konnte. Irene wusste nicht recht, wie sie diesen Gedanken weiterverfolgen sollte. Eine ordentliche Dreiecksgeschichte mit einer Exfrau, einem neuen Liebhaber und einem Mann, den beide haben wollten. War Andreas Svärd selbst nicht so ganz eindeutig gewesen? Dem sollte sie nachgehen. Mit neutraler Stimme fragte sie:
»Wie hätten Sie sich verhalten, wenn Marianne wirklich einen neuen Mann kennen gelernt hätte? Wenn Sie nicht mehr bereit gewesen wäre, sich so oft mit Ihnen zum Mittagessen zu treffen?«
»Ich habe es mir eigentlich für sie gewünscht. Aber gleichzeitig … brauchte ich sie.«
»Warum?«
»Zusammen empfanden wir ein tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit … von Frieden.«
»Das haben Sie zusammen mit Niklas nicht?«
»Das ist etwas ganz anderes. Leidenschaft.«
»Ohne die Sie ebenfalls nicht leben können.«
Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Andreas Svärd schüttelte zur Antwort nur andeutungsweise den Kopf.
»Haben Sie eine Vorstellung, was in der Nacht passiert ist, in der Marianne ermordet wurde?«, fragte Irene.
Er schüttelte den Kopf.
»Sie waren in Kopenhagen. Ihr Alibi haben wir überprüft. Wissen Sie, wo Niklas war?«
»Niklas? Natürlich war er zu Hause und schlief. Er fängt jeden morgen früh auf der Intensivstation an.«
Irene beschloss, es für dieses Mal dabei bewenden zu lassen. Andreas Svärd wirkte so, als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen.
Sie verabschiedeten sich, und Irene versicherte ihm, von sich hören zu lassen, falls es etwas Neues gäbe. Andreas Svärd zog seinen eleganten Mantel wieder an und ging auf den Korridor.
Lautlos schloss er die Tür.
Irene saß lange da und betrachtete das ramponierte Furnier der geschlossenen Tür. In ihrem müden Kopf ging es drunter und drüber, ohne dass ein brauchbarer Gedanke aufgetaucht wäre. Sie sehnte sich plötzlich nach zu Hause, obwohl kein gutes Abendessen auf dem Tisch auf sie warten würde. Donnerstags arbeitete Krister immer bis Mitternacht. Die Zwillinge waren in den Ferien in Värmland. Heute Abend war sie mit Sammie allein.
Sammie! Niemand hatte ihn bei seinem Ersatzfrauchen abgeholt! Sie setzte sich kerzengerade auf und warf sich über den Schreibtisch zum Telefon.
Die Stimme der Frau, die den Hund tagsüber betreute, war sehr unterkühlt. Nachdem Irene ihr den doppelten Stundenlohn versprochen hatte, ließ sie sich gnädig dazu herab, den Hund bis um sieben bei sich zu behalten. Aber keine Minute länger, denn dann wollte sie mit einer Nachbarin zum Bingospielen. Irene versprach, pünktlich zu sein.
Gerade als sie den Hörer aufgelegt hatte, klopfte es laut. Ehe Irene noch etwas sagen konnte, wurde bereits geöffnet und das sonnengebräunte Gesicht von Niklas Alexandersson tauchte im Türspalt auf.
»Hallo. Ich bin etwas früher dran, als gestern angekündigt.«
Er lächelte ein blendendes Lächeln und sah sie mit seinen Bernsteinaugen an.
»Hallo. Kommen Sie rein und setzen Sie sich«, sagte Irene und zeigte einladend auf ihren Besucherstuhl.
Niklas Alexandersson ließ sich auf den Stuhl fallen. Er trug ein honiggelbes Hemd aus kräftigem Baumwollstoff und ein paar nougatbraune Hosen. Weiter würde er wohl nicht gehen, was Trauerkleidung für Marianne
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