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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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vermutlich ihre nächtliche Visite macht, dachte Irene und verzog im Dunkeln das Gesicht.
    Als sie um die Ecke bog, wurde der Rauchgeruch durchdringend, und sie hatte Mühe beim Atmen. Sie machte die Taschenlampe an und ging auf das Gebäude zu. In der Öffnung zwischen dem verwilderten Flieder drehte sie sich um.
    Wenn Mama Vogel genau hier gestanden hatte, dann hatte sie deutlich gesehen, wie die Person in Schwesterntracht zum Krankenhaus kam. Aber wie hatte sie gesehen, dass diese auch wieder ging? Da war es doch stockfinster gewesen, der Strom war ja abgestellt worden. Plötzlich fiel es Irene wie Schuppen von den Augen: Der Mond. In jener Nacht hatte der Mond sehr hell geschienen. Im Mondschein hatte die Nachtschwester Siv Persson eine Person gesehen, von der sie schwor, dass es Schwester Tekla gewesen sei. Irene lief es kalt den Rücken herunter. Dieses Gerede von Gespenstern ging ihr langsam auf die Nerven. Sie drehte sich um und richtete den Strahl der Taschenlampe auf die Mitte der Laube.
    Der Schuppen stand noch, wirkte jedoch vollkommen ausgebrannt. Irene versuchte hineinzuschauen, aber vergeblich. Alles war schwarz verrußt. Die Männer von der Spurensicherung sollten sich die Reste am Morgen ansehen. Jetzt konnte sie nichts tun. Sie verließ die Laube wieder. Ihre Gummistiefel sogen sich am Rasen fest, als sie mit Mühe zu ihrem Wagen zurückstapfte.
    Sie zog die lehmigen Stiefel aus und ihre Joggingschuhe an, die sie im Kofferraum liegen hatte. Wenn dieses Wetter anhielt, dann würde eine Zeit kommen, in der es fast unmöglich sein würde, zu joggen. Dann musste sie wieder mehr in den vier Wänden trainieren. Morgen wollte sie mit der Frauengruppe üben. Das machte ihr Spaß. Seit einem Jahr brachte sie acht Polizistinnen Jiu-Jitsu bei. Der Vorschlag, eine Frauengruppe zu bilden, war vor einem Jahr aufgebracht worden, und es war nahe liegend gewesen, dass Irene sie trainieren sollte. In Schweden war sie die einzige Frau, die einen schwarzen Gürtel, dritter Dan, besaß. Das sollte man ausnützen, meinten alle. Ohne nachzudenken, willigte Irene ein. Manchmal hatte sie Katarina zur Unterstützung dabei. Ihre Schülerinnen waren mittlerweile schon richtig gut und konnten es mit jedem Mann aufnehmen.
    Sie griff zum Autotelefon und wählte die Nummer von Kommissar Andersson. Es klingelte zehnmal, ohne dass dieser abhob. Dann rief sie bei der Einsatzzentrale an. Håkan Lund war am Apparat. Ihr blieb nichts anderes übrig, als selbst den Bereitschaftsdienst zu übernehmen. Am Sonntag stand Birgitta Moberg auf der Liste. Dann war alles wieder unter Kontrolle.
     
    Das Telefon klingelte um 2.25 Uhr. Irene war sofort hellwach und schlüpfte in ihre Kleider. Krister schlief tief und fest. Er war erst vor einer Stunde nach Hause gekommen und befand sich im Tiefschlaf.
    Der Fall war unangenehm, aber nicht ungewöhnlich. Ein Mann hatte seine Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung in Guldheden zu Tode gequält.
    Als Irene zum Tatort kam, hatte man den Mann bereits ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Die Frau lag in einer großen Blutlache im Badezimmer. Das Gesicht war von der Misshandlung vollkommen entstellt. Der Mann von der Spurensicherung war bereits bei der Arbeit. Irene kannte ihn nicht und beschloss deswegen, mit ihren Fragen zu warten, bis er fertig war.
    Sie machte einen schnellen Rundgang durch die Wohnung. Sie bestand aus fünf Zimmern und einer Küche. Alles war ordentlich. Im größten Schlafzimmer stand ein großes, ungemachtes Doppelbett mit rosa Seidenlaken. Auch hier war ziemlich viel Blut. Offenbar hatte die Sache hier begonnen und im Badezimmer ihren Höhepunkt erreicht. Auf einer Kommode stand ein Bild der Frau. Sie lächelte den Fotografen an und war offenbar jung und schön gewesen.
    Der junge Polizeitechniker ließ erkennen, dass er fertig war. Er stand auf und streifte mit einer müden Bewegung die Handschuhe ab. Irene ging auf ihn zu und nickte freundlich.
    »Hallo. Ich heiße Irene Huss. Ich bin Inspektorin beim Dezernat für Gewaltverbrechen.«
    Der junge Mann starrte sie düster durch eine dunkle Sonnenbrille an. Vielleicht war es sein dünnes, dunkles Haar mit dem ordentlichen Scheitel, das sie an einen Vampir denken ließ. Außerdem war er ungewöhnlich groß und mager und hatte eine gelblichbleiche Haut.
    »Hallo. Ich heiße Erik Larsson. Ich bin die Vertretung für Åhlén.«
    »Haben Sie eine Vorstellung, wie das Ganze abgelaufen sein könnte?«
    »Ja. Kräftige Misshandlung

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