Der zweite Mord
die ihrem Wunsch sofort nachkamen. Einer lief danach sofort ans Bachufer und kotzte ins Wasser. Die Stridner kommentierte das nicht, aber der Blick, den sie dem Feuerwehrmann zuwarf, sagte alles. Sie zog Gummihandschuhe über und einen Kittel und begann die Leiche zu untersuchen.
Schweigend sahen ihr die Polizisten zu. Die Schäbigkeit des Todes schien die drei plötzlich zu beklemmen.
Eine eiskalte Gewissheit machte sich in Irenes Bewusstsein breit. Fast wollten ihr die Lippen nicht gehorchen, die folgenden Worte auszusprechen:
»Sie ist hier.«
Andersson wurde aus seinen Gedanken gerissen.
»Wer? Gunnela Hägg?«
»Nein. Linda.«
Tommy und der Kommissar sahen sie an. Beide nickten gleichzeitig.
»Sie ist um Mitternacht losgeradelt. Das Fahrrad ist hier. Also muss Linda ebenfalls hier sein«, sagte Tommy.
Sie begannen sich umzusehen. Längs des Einschnitts, durch den der Bach floss, wuchsen Büsche und ausladende Tannen, deren Äste herabhingen. Linda konnte unter den dichten Ästen liegen. Das Wäldchen hinter dem Klinikpark hatten sie bereits durchkämmt, und dort war sie nicht.
»Wir müssen einen Hund kommen lassen«, sagte der Kommissar.
Das schien ein vernünftiger Vorschlag zu sein. Irene zog ihr Handy aus der Jackentasche und forderte einen Hundeführer an.
Die Sonne war bereits hinter den Häusern untergegangen, und die Schatten unter den Bäumen wurden tiefer. Keiner der Polizisten hatte Lust, sich zu unterhalten. Sie standen tief in Gedanken versunken da und warteten auf das Ergebnis der ersten Untersuchung der Pathologin.
Schließlich erhob sich Yvonne Stridner. Sie vollführte eine majestätische Geste mit der Hand und gab den Männern vom Bestattungsdienst damit zu verstehen, dass sie die Leiche in die Pathologie schaffen konnten. Dann riss sie sich die Schutzkleidung herunter und stopfte sie in eine Plastiktüte. Erst als sie auf die Kriminalbeamten zuging, fiel Irene auf, dass sie Gummistiefel trug. Das war für die Pathologieprofessorin ungewöhnlich. Sonst war sie nicht so zurückhaltend.
»Große, tiefe Wunde am Hinterkopf von einem oder mehreren Schlägen an der Schädelbasis. Wir haben es wiederum mit einem starken Mörder zu tun. Vermutlich ist sie bereits seit mehreren Tagen tot. Dazu kann ich Ihnen morgen mehr sagen. Bis Donnerstagabend war es schließlich sehr kalt. Das beeinflusst den Verwesungsprozess.«
»Obwohl sie auf dem Eis gelegen haben muss. Der Bach war bis Donnerstag noch gefroren«, meinte Tommy.
Professorin Stridner nickte.
»Das muss ich bei der Obduktion im Hinterkopf behalten. Im Wasser hat sie nicht so furchtbar lange gelegen. Morgen Nachmittag lasse ich von mir hören.«
Der Lehm quietschte, als sich die Professorin auf den Absätzen ihrer Gummistiefel umdrehte und Kurs auf ihren Wagen nahm.
Andersson starrte ihr wütend nach.
»Warum hat sie es so eilig, wieder zu ihrer Arbeit zu kommen? Es ist nicht zu befürchten, dass ihr die Patienten weglaufen«, sagte er bissig.
Gunnelas Häggs Leiche wurde in dem diskreten grauen Kombi fortgeschafft. Die Männer von der Spurensicherung trafen ein und entschieden, das Fahrrad direkt ins Labor zu bringen. Sie wollten es gerade in dieselbe Plane wickeln, unter der eben noch Gunnela Häggs gelegen hatte, da stieß einer der Taucher einen Ruf aus. Triumphierend winkte er mit einem lehmigen Werkzeug. Irene trat näher und stellte fest, dass es sich um eine kräftige Zange handelte. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass es ein Seitenschneider war. Einer der Männer von der Spurensicherung stülpte eine große Plastiktüte darüber.
Andersson sah plötzlich ungeheuer müde aus.
»Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich brauche einen Kaffee«, sagte Irene, »am liebsten intravenös.«
Der Kommissar sah sie dankbar an und nickte. In der Bachsenke wurde es allmählich dunkel. Der Hundeführer traf ein. Zwei eifrige Schäferhunde sprangen aus der offenen Heckklappe eines Volvo Kombis. Zur Erleichterung des Kommissars waren sie angeleint. Er hatte nichts für Hunde übrig. Eigentlich für überhaupt keine Tiere. Er nickte erneut und murmelte:
»Irene will Kaffee haben, also fahren wir ins Präsidium und besorgen ihr einen.«
Die gesamte Gruppe hatte sich im Konferenzzimmer versammelt. Der Kommissar erzählte denen, die nicht dabei gewesen waren, was am Nachmittag vorgefallen war.
»Auch wenn Gunnela Hägg verrückt und vollkommen harmlos war, stellte sie für den Mörder eine Bedrohung dar. Als er Kurt
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