Der zweite Mord
bringen können. Der Tag hatte überhaupt keine neuen Zeugenaussagen von Bedeutung ergeben. Die Einzigen, die weitergekommen waren, war die Ghost-irgendwas-Gruppe, und daher beschloss Andersson auch, ihnen weiterhin freie Hand zu lassen.
Der Kommissar wünschte seinen Leuten viel Glück bei den Ermittlungen des nächsten Tages, setzte für halb acht eine kurze Morgenbesprechung an und bat sie zum Schluss, ihre leeren Pizzaschachteln in die große Plastiktüte neben der Tür zu werfen.
KAPITEL 15
Die enthäuteten Kadaver hingen dicht an dicht, und sie hatte Mühe, sich zu bewegen. Vorsichtig tastete sie sich vorwärts und versuchte es zu vermeiden, mit ihnen zusammenzuprallen. Auf dem Fußboden war eine dicke Schmiere, die ihre Füße festhielt. In der Ferne hörte sie Jenny schwach um Hilfe rufen. Aber sie wusste, dass es unmöglich war, sich mit Gewalt einen Weg zu bahnen. Dann würden die schweren Kadaver nur von ihren Haken gleiten und auf sie herabfallen. Die zähe Masse um ihre Füße stieg immer höher, und sie begriff, dass sie bald zwischen den Kadavern gefangen sein würde. Jennys verzweifelte Stimme war aus immer größerer Ferne zu hören. Bald würde ihr nicht mehr zu helfen sein.
Schweißgebadet setzte sich Irene im Bett auf. Verdammt, sie hatte auch heute keine Zeit gefunden, Jenny nach den Plakaten unter ihrem Bett zu fragen. Am Sonntag war zu viel los gewesen. Die Mädchen hatten so viel vom Skifahren zu erzählen gehabt, und außerdem hatten die Taschen ausgepackt werden müssen. An den darauf folgenden Abenden war ebenfalls keine Zeit gewesen. Irene legte sich wieder hin und versuchte sich zu beruhigen. Vorsichtig drehte sie den Kopf zur Seite und betrachtete Krister. Er schlief mit dem rechten Arm über dem Kopf auf dem Rücken und schnarchte laut. Irene stieß ihn an. Ohne aufzuwachen, drehte er sich brummend zur Seite. Das Schnarchen ging in ein leises Schnaufen über.
Auch mit ihm hatte sie nicht darüber gesprochen. Sie war ganz einfach zu feige gewesen. Aber sie wusste wirklich nicht, wie er reagieren würde, wenn sie ihm erzählte, dass Jenny ein Protestplakat der Befreiungsfront für Tiere unter dem Bett liegen hatte! Es hatte ihn nicht erbaut, dass sie begonnen hatte, sich vegetarisch zu ernähren, und das war dagegen harmlos.
Es hatte keinen Sinn dazuliegen und ins Dunkel zu starren. Sie musste einen Beschluss fassen, wie sie mit dieser Sache umgehen wollte. Es gab nur eines, was sie sinnvollerweise tun konnte. Heute Abend musste sie mit Jenny reden.
Trotzdem dauerte es eine Weile, bis sie wieder einschlafen konnte. Und als der Wecker klingelte, hatte sie das Gefühl, gerade eben eingenickt zu sein.
Irene war erstaunt, dass Stig Malm wieder bei der Morgenbesprechung erschienen war.
»Morgen zusammen. Svante muss gleich weiter, aber er wollte noch etwas Wichtiges sagen. Bitte«, begann Andersson.
»Ja. Gestern vergaß ich zu sagen, dass wir im Staub auf dem Fußboden Spuren gesichert haben. Und zwar hinter der Tür auf dem Boden. Wir haben dort eine Menge Haare von Linda gefunden. Außerdem ist deutlich zu sehen, dass sie von dort zu dem Platz geschleift wurde, an dem sie aufgehängt wurde. An ihren Kleider war auch eine Menge Staub vom Fußboden. Daraus ziehen wir den Schluss, dass die Leiche eine Weile hinter der Tür lag, ehe sie zum Dachstuhl geschleift wurde.«
»Dann stimmt also unsere Vermutung von gestern. Erst Linda, dann Marianne«, sagte Irene.
Sie nickte Hannu zu. Er nickte kaum merkbar zurück und ließ seinen ruhigen Blick auf dem Mann von der Spurensicherung ruhen.
»Im Staub war auch ein Fußabdruck. Es gab da einige, aber einer war richtig deutlich. Ein stabiler Damenschuh mit Absatz, Größe neununddreißigeinhalb oder vierzig.«
Svante Malm hob die Hand zum Abschied und zog eilig von dannen. Danach war es eine Weile still. Der Kommissar starrte düster auf die Tür und sagte dann mit fester Stimme:
»Gespenster hinterlassen keine Fußabdrücke.«
Niemand war anderer Meinung.
Irene, Tommy und Hannu berieten, wie sie weiter vorgehen sollten.
»Ich will versuchen, mit Carina Löwander zu sprechen. Will einer von euch mitkommen?«, fragte Irene.
»Mach du das«, sagte Hannu und nickte Tommy zu.
Selbst sagte er nicht, was er vorhatte, und aus irgendeinem Grund wollten ihn seine Kollegen auch nicht danach fragen.
Sie einigten sich darauf, um drei Uhr wieder zusammenzukommen.
Manchmal hat man Glück, dachte Irene, als Carina Löwander zu
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