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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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und war sich sicher, viel besser in der Zeit zu liegen, als sie vorausberechnet hatte. Damit war also bewiesen, dass Linda Cederström konnte, wenn sie wollte.
    Um in Papas Worten zu sprechen.
    Unten vor der Tür gab es Anlass zu seufzen. Der Schnee! Endlich war er da! Ausgerechnet jetzt, wo sie ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren durfte. Die Flocken wirbelten nicht in der Luft herum, sie fielen schnell und in geraden Bahnen vom Himmel herab. Alles war bedeckt, man konnte keine Formen mehr erkennen.
    Nichts war zu hören, nur das leise Knistern der Flocken. Und sie.
     

3
    Im Traum streckte Kjell seine Arme aus und griff nach den Brüsten, die seine Kollegin Sofi Johansson ausnahmsweise in dieser Szene trug. Sie lachte dabei und warf sich ihm entgegen. Das alles wirkte so natürlich. Nur ihr Lachen, das irritierte ihn ein wenig. Es klang piepsig und wollte kein Ende nehmen. Es dauerte noch einige Momente, bis er darauf kam, dass das Telefon klingelte. Er tappte danach und fand es auf dem Fensterbrett, das er vom Bett aus erreichen konnte. Er konnte alles in seinem Schlafzimmer vom Bett aus erreichen.
    Es war Sofi Johansson. Ihre Melodie war die Waldsteinsonate. Kjell drückte auf den grünen Knopf.
    »Guten Morgen«, flüsterte sie mit ihrer tiefen Morgenstimme.
    »Es ist Viertel vor drei, und ich bin gleich bei dir. Wir müssen nach Vasastan. Die Kripo ist schon da.«
    »Ja.« Seine Stimme klang belegt, und er musste sich mehrmals räuspern, bis sie endlich trug. »Ich stehe dann an der Straße.«
    »Ich bin jetzt bei der Brücke«, sagte sie und legte auf.
    Das mit den Brüsten tat ihm sogleich leid. Es musste mit der trockenen Heizungsluft zusammenhängen, dass er plötzlich von Brüsten träumte und sie dabei auch noch vergrößerte. Er war also auf der untersten Stufe angelangt, die man beim Träumen erreichen konnte. Er hatte nicht geglaubt, dass es so schnell gehen würde.
    Kjell riss beide Fensterflügel auf und ließ die Kälte herein. Sie biss nicht in die Haut, aber alles, was in dem Zimmer aus Kunststoff oder elektrisch war, knisterte und knackte. Er lehnte sich hinaus und machte einige tiefe Atemzüge. Schneeflocken fielen vom Himmel. Sie waren so klumpig und schwer, dass er es spürte, wenn eine davon auf seinem Kopf landete. Er wohnte auf Reimersholme mitten in der Stadt. Jenseits des Wassers sah er die Scheinwerfer eines Autos, das sich auf der Ringstraße durch den Schnee kämpfte. Der Lichtkegel reichte gerade mal zwei, drei Meter weit, bevor er seine Kraft verlor. Der Wagen war in einen diffusen Schein gehüllt, denn neblig war es obendrein. Kjell blickte nach unten auf den Rasen vor dem Haus. Er wollte abschätzen, wie hoch der Schnee schon lag. Der Zaun am Rosenbeet war dreißig Zentimeter hoch und so zugeschneit, dass ein Unwissender auf der Nase landen würde.
    Am Abend war er früh ins Bett gegangen und fühlte sich jetzt ausgeschlafen. Routiniert stieg er in die weiche braune Kordhose, die über dem Stuhl hing, und sah sich nach einem Oberteil um. Ein frisches Hemd war nur für den Preis eines mauerndurchdringenden Quietschens der Schranktür im Flur zu bekommen. Aber auf dem Stuhl entdeckte er den Pulli, der ihm gerade recht kam. Im Büro wartete noch ein frisches Oberhemd. Da konnte er später wechseln. Er schlich ins Bad, putzte sich die Zähne und reckte sein Kinn zum Spiegel. Die nächste Rasur konnte auf jeden Fall bis zum Abend warten. Kjell drehte das kalte Wasser auf und schöpfte es sich dreimal ins Gesicht, bis er sich erfrischt wie ein Neununddreißigjähriger fühlte. Sein Haar war für seine zweiundvierzig Jahre unglaubwürdig braun geblieben und lag ausnahmsweise so, wie er es sich wünschte. Es würde ein guter Tag werden.
    Draußen folgte er dem schneeschaufelbreiten Pfad bis zur Straße. Der Schnee gab knautschend nach. Bei Umberto im Hausmeisterschuppen brannte Licht, und in einiger Entfernung schippte ein Mensch um sein Leben. Ob sie in der Innenstadt schon räumten? Er fragte sich, wie lange sie bis Vasastan brauchen würden. Das ferne Rauschen des Verkehrs auf der Ringstraße und der Westbrücke war verstummt. Es war wärmer, die Temperaturen waren in wenigen Stunden stark gestiegen. Seine Schätzung lag bei fünf Grad unter null.
    Einige Minuten lang stand er da und fand, dass die Baumstämme jetzt alle kohlschwarz aussahen. Wo blieb Sofi? Er warf zwei Schneebälle auf das Stoppschild, doch sie lösten sich weit vor dem Ziel in weiße Pulverwolken auf. Dann begann

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