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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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ihrem Kinn lockerte ihren Griff. Sofi nickte. Er hatte gesagt, was sie die ganze Zeit zu sagen versuchte. Sie würde alles zurückgeben.
    Der Druck des Metalls verschwand, die Griffe wurden langsam gelockert. Sie schlackerte immer noch, vor allem mit den Beinen. Jemand kam und stellte etwas auf dem Boden ab. Sofi roch Rauch. Der Mann steckte sich das Ende eines Schlauchs in den Mund und zog daran. Sie hörte das Blubbern einer Wasserpfeife. Sein Gesicht entspannte sich und wurde mit einem Schlag freundlich.
    Er hielt ihr das Mundstück an die Lippen, sie zog krampfartig daran, ohne zu zögern. Noch während sie zog, wurde ihr schummrig. Sie hörte auf zu zittern. Nur die Kälte blieb. Der Mann hielt ihr das Mundstück wieder hin, sie sollte noch einmal daran ziehen. Ihr Körper wurde weich, entspannte sich mit einer enormen Heftigkeit. Der Griff an ihren Knien lockerte sich, sie fühlten sich an wie eingefroren. Das Tuch wurde von der Leine genommen. Sie verdrehte die Augen und blickte an sich herunter. Ihre Beine zitterten immer noch, aber sie spürte es nicht mehr. Die Kälte kam vom Schlottern, das Schlottern kam von ihrer Angst. Sie zog noch zweimal. Der Mann strich ihre Wange trocken. Sie versuchte ruhig zu atmen, ihre Lungen brannten von der Anstrengung und vom Rauch.
    Zu ihren Füßen standen fünf Frauen. Bei ihrem Anblick stieg etwas aus ihrem Magen die Speiseröhre hinauf. Sie hatte alles richtig eingeschätzt. Dies war keine Täuschung gewesen. Sie sah die Frau und das Messer, das sie in einen Lumpen einwickelte. Die Frau und ihre schwarzen Augen würde sie nie vergessen. Dann sah sie nichts mehr.

40
    Samstag, 8. Dezember
     
    Erst blinzelte sie, dann richtete sie sich mit einem Ruck auf. Sofi sah sich um. Sie saß in ihrem Bett und trug ihr Nachthemd. Bevor sie überlegen konnte, was geschehen war und ob sie alles geträumt hatte, spürte sie ihren wehen Schoß. Die Kälte saß noch immer in ihren Knien und Schultern. Sofi sprang aus dem Bett, überprüfte tastend ihren Körper von oben bis unten und kam zu dem Ergebnis, dass ihr nicht mehr passiert war, als sie mitbekommen hatte. Die Schwellung war kaum zurückgegangen. Sie zog sich die dicke Hose an, die sie auf dem Flug getragen hatte, und dazu einen Pullover. In der Küche setzte sie sich eine angebrochene Flasche Barak-Wasser an den Mund und würgte das Wasser angeekelt herunter. Zu gehen bereitete ihr Schmerzen, denn ihre Gelenke waren steif. Die Lungen brannten immer noch. Da fiel ihr Linda ein, und Panik stieg in ihr auf. Sie stürmte zu Lindas Zimmer und riss die Tür auf.
    Linda lag schlafend da. Sie ging näher heran. Linda atmete ruhig. Sofi keuchte vor Erleichterung und schloss dann die Tür.
    Zwei Minuten später verließ sie angezogen die Wohnung und legte mechanisch die zweihundert Meter zur Botschaft zurück. Im Büro fand sie keine Anzeichen, dass William inzwischen hier gewesen war, aber sie suchte auch nicht. Sie öffnete den Tresor, entnahm das Geld und packte die Bündel in den Rucksack. Draußen winkte sie ein Taxi herbei. Sie empfand nichts und hatte keine Gedanken.
    Außer dem einen.

41
    Es war noch ganz früh am Morgen. Kjell löste sich langsam von Ida, die ihn mit ihren Beinen umschlungen hatte. Ida suchte eben überall nach Komplikationen. Dass sie miteinander geschlafen hatten, lag noch immer zehn Jahre zurück. Gestern hatte er die gekauften Kondome im Büro in der untersten Schreibtischschublade vor Barbro versteckt und dann vergessen. Ida hatte sich geweigert, solange ihr Testergebnis noch ausstand. Und deshalb war es ein wunderbar entspannter Abend geworden, der zugleich auch ungeheuer spannend gewesen war, weil er nicht mit dem Naheliegendsten enden konnte. Was so ein Abend alles für Möglichkeiten bereithält, an die man sonst gar nicht denkt, überlegte er, als er eine großzügige Schlaufe in seinen Bademantelgürtel knotete.
    Mit einem Blick durchs Küchenfenster prüfte er, ob die Welt noch so aussah wie gestern. Es würde erst in einigen Stunden dämmern. Er kochte eine Kanne Kaffee und nahm sich vor, dann erst wieder am Nachmittag welchen zu trinken. Irgendwann hatten er und Linda angefangen, den Kaffee immer stärker zuzubereiten, mit der Folge, dass er ihnen anderswo nicht mehr schmeckte und Besucher gebeten wurden, sich ihren Kaffee selbst zuzubereiten, wenn sie das Leben liebten.
    Die erste Tasse trank er im Stehen auf dem Balkon. Das war so eine Angewohnheit von ihm. Die maßlose Rankpflanze hatte im

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