Der zweite Tod
sein könnte, eine Frau in seinem Schlafzimmer vorzufinden. Vor Schreck bremste er, der Volvo wollte wegen der vereisten Straße dabei nicht mitmachen. Das Auto kam ins Schlingern. Als er später im Aufzug seines Hauses nach oben fuhr, wusste er nicht, ob ihn oben ein Drama oder etwas anderes Skurriles erwartete. Er hatte noch nie eine Frau mitgebracht und konnte nicht voraussehen, wie Linda reagieren würde. Im Fahrstuhl stiegen Phantasien in ihm auf. Darin wälzten sich Linda und Ida auf dem Boden im Flur. Linda hatte sie mit Anlauf angesprungen und sich in ihrem Nacken verbissen.
Doch Ida war gar nicht da. Sie hatte allerdings unübersehbare Beweise für ihren Besuch in der Wohnung zurückgelassen, und die Frage war, ob Linda sie bemerkt hatte.
Sie lag in der Badewanne. Er klopfte, und sie rief hallo. Er filterte den dumpfen Hall aus ihrer Stimme und kam zu dem Ergebnis, dass sie fröhlich klang. Nach zwei Minuten erschien sie mit einem Turban auf dem Kopf. Er wusste nicht, wie er die Unterhaltung beginnen sollte, doch zu einer Verlegenheit kam es gar nicht. Sie kam auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Ihre Haut hatte noch die Temperatur des Badewassers. Er spürte sie durch den Bademantel hindurch. Sie roch gut, nicht mehr nach sündiger Magdalena, sondern wieder nach Tochter. Ihre Stirn bettete sie in die Neige zwischen seiner Schulter und seinem Hals. Nach einer Weile reckte sie ihren Kopf und lächelte ihn an.
»Da bist du ja!«, sagte sie. »Ich hab schon auf dich gewartet.«
»Geht es dir gut?«
Sie nickte. Niedergeschlagen wirkte sie nicht, eher glücklich und entspannt.
»Papa, mit Sofi stimmt etwas nicht.« Sie erzählte ihm von Sofis merkwürdigem Verhalten am Morgen. »Wir haben uns nicht mal von Nura verabschiedet. Und sie war auch froh, als sie mich loswurde.«
»Warum bist du denn mitgeflogen? Dein Ticket gilt doch erst am Dienstag.«
»Sie hat neue gekauft, für fünfhundert Dollar!«
Linda setzte Teewasser auf. In alter Eintracht setzten sie sich an den Küchentisch. Kjell ließ sich nicht anmerken, wie sehr Sofis Verhalten auch ihn verwunderte. Mit einer Tasse Tee vor sich stützte Linda beide Ellenbogen auf die Tischplatte, legte den Kopf zwischen die Hände und machte ein Hamstergesicht.
»Hast du John vermisst?«, fragte er arglos, um ihr zu zeigen, dass man mit ihm durchaus über dieses Thema reden konnte.
Sie antwortete mit einer Miene, die er nicht deuten konnte. Sie schüttelte den Kopf und verengte die Augen, als belästigte sie der Gedanke daran. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schlecht die Luft in Kairo ist. Mein Kopf hat die ganze Zeit wehgetan.«
Anscheinend hatte diese Nura seiner Tochter eine Menge beigebracht. Sie wusste, dass Frauen mit Kinderwagen schneller über die Straße gingen, wenn man mit durchgedrückter Hupe auf sie zuraste. Und sie konnte akzentfrei »Deine Muttermilch war Kamelpisse!« aus dem Fenster brüllen und gleichzeitig schalten. Es wäre ein guter Moment gewesen, ihr von Ida zu erzählen. Oder vielleicht auch nicht. Neben der Offenbarung, dass sie die neue Frau an seiner Seite sein sollte, gab es noch die Kleinigkeit, dass er mit Ida vor zehn Jahren ihre Mutter betrogen hatte. Dass Madeleine auch unter die eine oder andere Decke geschlüpft war, konnte er kaum als Rechtfertigung vorbringen.
Er musste nach Sofi sehen. Dass sie eigenmächtig Entscheidungen traf, war nichts Ungewohntes, aber dass sie sich weder mit ihm noch mit Barbro in Verbindung setzte, war ganz und gar unüblich. Er korrigierte sich, es kam eben doch vor, immer wenn ihr etwas entglitten war, begann sie, im Stillen daran herumzudoktern. Dann musste man schnell sein.
Sofi Johansson öffnete ihre Tür nicht, obwohl er Sturm klingelte und am Ende sogar wie ein Dreijähriger mit dem Fuß dagegen trat. Nach einer Viertelstunde entschied er, dass sie nicht zu Hause war, und hatte den Verdacht, dass er es im Büro probieren musste.
Er fand sie an ihrem Schreibtisch vor dem Computer. Sie trug noch ihre dicke Jacke und hatte nicht einmal den Schal von ihrem Hals gewickelt.
»Was ist los, Sofi?«, fragte er ohne Begrüßung.
Sofi floh vor seinem Blick und lächelte unecht. Er zog seine Jacke aus und nahm an seinem Schreibtisch Platz. Nun saßen sie sich gegenüber, nur die beiden Tische trennten sie.
»Ich habe das Geld verloren. Ich bin überfallen worden.«
Sie sprach in schnellen und abgehackten Sätzen.
»Aber du warst doch schon in der Botschaft damit.«
»Sie
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