Der zweite Tod
Personen.«
»Ich meine den Kurzhaarigen mit der schwarzen Jacke.«
»Den habe ich gesehen.«
»Weißt du, mit welchem Wagen er kam?«
»Das kann ich von hier aus nicht sehen, ich bin zu weit rechts. Aber ich habe eine Profilaufnahme von ihm vor dem Eingang. Er tauchte auf einmal an der Hausecke auf.«
Zehn Minuten später kam das Foto per E-Mail. Die Auflösung war gut, aber das abgewandte Profil ließ nicht zu, das Gesicht zu identifizieren.
Dann rief Peter erneut an.
»Ach ja, der Typ kam erst am späten Abend wieder heraus, aber dieses Foto ist unbrauchbar. Jedenfalls ging er wieder links um das Haus, aber es ist in der folgenden Stunde kein Auto vom Gelände gefahren.«
»Aber am Morgen sind die drei Fahrzeuge doch auf den Parkplatz links vom Gebäude gefahren, und dann kam er um die Ecke.«
»Ja, er und zwei Frauen. Er muss mit einem der Wagen gekommen sein.«
»Sind die drei Autos denn seitdem weggefahren?«
»Der Peugeot steht noch da.«
Das war seltsam. Hinter dem Haus war nur der Zaun, dahinter die Schnellstraße und schließlich der Wald von Nacka. Also das Nichts.
53
Sofi saß in der Abteilung für Neuanschaffungen der Universitätsbibliothek von Uppsala und betrachtete den Bildschirm des Computers. Sie war froh, am Tag und am Abend lauter Aufgaben vor sich zu haben, bei denen sie in Ruhe gelassen wurde. Sie hatte nach ihrer Rückkehr alle Anrufe von Sven Flemming von ihrer Mailbox gelöscht und nicht mehr an ihn gedacht. Siebenmal hatte er angerufen. Dass er jetzt nicht weit von ihr in einem Büro saß, bedeutete ihr nichts.
Neben der Tastatur lag Kajsa Björklunds Personalakte. Auf dem Bildschirm waren zwei Ausleihkonten zu sehen: das von Kajsa und das von Carl Petersson. Petersson hatte in den vergangenen sechs Monaten nur zwei Bücher ausgeliehen, die Sofi mit nichts in Verbindung bringen konnte. Aber Kajsas Konto ließ sie stutzen. Seit zwei Jahren lieh sie sich die gesamte Forschungsliteratur zum Diskos von Phaistos aus. Kajsa Björklund also, nicht Carl Petersson. Im Hintergrund lief der Drucker. Kajsas Leihliste nahm sieben Seiten ein, hundertdreiundsechzig Titel.
Sofi fragte sich, was sie dadurch gewonnen hatte. Kaum mehr als einen Beleg dafür, dass die beiden in den letzten zwei Jahren bis zu Peterssons Tod in regem Kontakt zueinander gestanden haben mussten.
Sie rief sich ihr Gespräch mit Kajsa ins Gedächtnis und ging alle Details und Eindrücke noch einmal durch. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Kajsa sie angelogen haben musste, und das mit großer Überzeugungskraft. Sofi hatte alles geglaubt, wie sie ja immer alles gleich glaubte. Aber es hatte so plausibel geklungen. Ihre gemeinsame Zeit lag über zehn Jahre zurück. Petersson hatte eine andere, Kajsa war die Mutter zweier Kinder und mit einem anderen Mann verheiratet, dem sie von Petersson nie etwas erzählt hatte. Das hatte es noch glaubhafter klingen lassen. Aber wie sagte noch Kjell? Plausibilität ist die Oberfläche der Unwahrheit.
Sofi legte die beiden Listen nebeneinander. Natürlich hatten die beiden noch Kontakt zueinander gehabt! Es musste so sein. Die Worte erklangen in ihrem Kopf: »Das ist eine andere Frau. Der Schwede hat gelogen.« Die richtige Frau, das war nicht Mari. Es musste Kajsa Björklund sein. Sofi war sich auf einmal ganz sicher.
Eine Stunde später parkte sie ihren Wagen vor Björklunds Haus. Sie hatte einen kurzen Abstecher zum Universitätsgebäude gemacht, in dem Sven arbeitete, und zum beleuchteten Fenster hinaufgeblickt. Dann hatte sie Gas gegeben.
Lasse war nicht allein zu Hause. Bei ihm war eine Frau, die sich als seine Schwester Smilla vorstellte. Auch Moa war da, die hiesige Inspektorin. Lasse atmete schwer, stand immer wieder von der Couch auf, um auf und ab zu gehen und sich wieder zu setzen.
»Darf ich mich umsehen?«, fragte Sofi.
Smilla nickte.
Sofi stieg die Treppe hinauf. Im zweiten Stock war der Dachboden zu einem Büro ausgebaut. Zwei Schreibtische standen an den einander gegenüberliegenden Wänden. An dem einen korrigierte Lasse die Arbeiten seiner Schüler, auf dem anderen nahm eine Bücherreihe die gesamte Länge der Tischplatte ein und enthielt Wörterbücher und Monographien, wohl die Titel, die Kajsa stets zur Hand haben musste. Wenn Sofi dies bei ihrem letzten Besuch gesehen hätte, hätte sie Kajsa ihre Hausfrauenfassade wohl nicht abgekauft. Die neun ausgeliehenen Bücher konnte Sofi nicht entdecken. Deshalb ging sie hinab und sprach Lasse darauf an.
»Die
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