Der Zweite Tod
Deckenlicht und sahen auf die Wand, an die Hans die Fotos aus der Pathologie projizierte.
»Die Tote konnte als Kajsa Björklund identifiziert werden«, begann er. »Bitte beachtet die Stellen an den Fuß- und Handgelenken. Es sind Wundmale von Hanfseil en, mit denen sie vor dem Tod gefesselt war. Und dann dies hier.« Hans deutete mit dem Laser auf dunkle Striche an dem verkohlten Körper. Die Einkerbungen stachen deutlich hervor. »Das sind Schnittwunden. Sie haben vor dem Brand wohl viel extremer ausgesehen und stammen von einer gebogenen, langen Klinge.«
Sofi sprang auf und rannte aus dem Zimmer. Barbro eilte ihr hinterher. Sie hörten nebenan auf der Toilette die Spülung. Sofi hus tete.
»Was ist mit ihr los?«, fragte Hans. »Die ekelt sich doch sonst vor nichts.«
In der Tat hatte sich Sofi dadurch einen besonderen Platz in Hans’ Herz erobert, dass sie in ihrer Anfangszeit im letzlen Frühjahr einer Reihe von Obduktionen beigewohnt und nie das geringste Zeichen von Ekel gezeigt hatte. Glaubte man Barbro, so war das bei Hans eine über das Berufliche weit hinausgehende Voraussetzung, die eine Frau mitbringen musste.
»Ist sie an den Schnittwunden gestorben?«, fragte Kjell.
»Sie hatte Benzin in der Lunge und auch im Magen. Sie war wohl bei Bewusstsein, als der Brand gelegt wurde.«
Barbro kehrte zurück.
»Ist ihr noch schlecht?«, fragte Kjell.
»Ihr ist nicht schlecht. Sie heult und zittert. Kannst du mal kom men, Hans?«
Hans kam und beruhigte Sofi mit Worten und Spritzen. Die Beru higungsspritze ent faltete ihre Wir kung, machte sie zugleich aber auch mitteilsam.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie und wischte sich trotzig mit dem Ärmel die Nase ab. »Aber ich glaube, Petersson und Kajsa haben zusammengearbeitet, eine Art Geschäft. Dabei ging es nicht um die Entzifferung, jedenfalls nicht nur, sondern vor allem um Geld. Und sie haben den Zorn von jemandem auf sich gezogen. Die Leute, die uns in Kairo überfallen haben, sind auch Kajsas Mörder. Vielleicht sind es nicht dieselben, aber sie gehören zusammen. Ob diese hier Schweden oder Ägypter waren, weiß ich nicht. Bisher habe ich vermutet, sie hätten mich in Kairo mit Mari verwechselt. Aber es muss Kajsa gewesen sein.«
»Hast du Mari überhaupt schon einmal gesehen?«, fragte Barbro und suchte im Computer ein Bild von ihr, das sie zusammen mit Kajsas Hochzeitsbild an die Wand projizierte. »Die beiden kann man nicht verwechseln. Auch nicht mit dir.«
»So meine ich das nicht. Die wussten gar nicht, wie Kajsa aussah. Jemand aus Stockholm hat mich in Kairo angekündigt und mich für Kajsa ausgegeben. Sie nannten ihn ›den Schwedens«
Es klopfte. Linda steckte den Kopf durch die Tür. Kjell winkte sie he rein und beob achtete genau, was sich zwischen ihr und Sofi abspielte. Das war nicht viel. Linda hatte sich seit Samstag dauernd nach ihr erkundigt, sich aber nicht getraut, bei ihr anzuru fen.
»Wer ist das?«, fragte Linda und deutete auf das Bild von Mari an der Wand.
»Die kennst du nicht«, antwortete ihr Vat er. »Das ist Mari Svahn, die Freundin von Carl Petersson.«
Linda nickte. Sie musste allein nach Hause fahren, Kjell konnte noch nicht weg. Er wollte aber den Abend mit ihr verbringen. Ob er ihr heute von Ida erzähl en würde, wusste er noch nicht. Linda war einverstanden. Sie verabredeten sich für sieben Uhr. Kjell wollte etwas kochen.
55
Linda kannte die junge Frau auf dem Bild sehr wohl. Man konnte sogar behaupten, dass sie sie besser kannte als die meisten Mens chen. Näml ich nackt. Von der Akts er ie aus Johns Atelier.
Entschlossen drückte sie die Klingel. Dass sie noch einmal herkommen würde, hätte sie nicht vermutet. Einmal hatte sie ihn am Sonntag angeru fen, um ihm das mit zutei len. Aber er hatte nicht abgeho ben.
Sogleich erlönte das Summen des Türöffners. Beherzt erklomm sie mit aushol enden Schritt en die sechste Etage. Die Tür war angel ehnt. Sie tippte sie vorsichtig auf und lugte hinein. Die Tür öffnete sich nur halb. Linda zögerte. Auf einmal riss jemand die Tür bis zum Anschlag auf. Eine Frau blickte sie an, erst verwundert, dann aber erstrahlte ein Lächeln auf ihrem Ge sicht.
»Du musst Linda Cederström sein! Ich habe schon viel von dir gehört.«
Oje, dachte Linda. Sie wollte gar nicht daran denken, was Johns Frau alles von ihr gehört hatte. Sie musste es sein. »Ich mache gerade Tee. Möchtest du?«
Linda nickte scheu und folgte ihr in die Küchennische. Ein kleiner Junge
Weitere Kostenlose Bücher