Der Zweite Tod
Längholmen dem Wasser wie Aphrodite entsteigen. Auf dem verbleibenden Fußweg hatte man fünf Minuten Zeit, um zu trocknen, bevor man daheim in den kühlen Lift stieg. Das hatte er im Sommer viermal gemacht. Jedes Mal musste Linda ihm auf dem Fahrrad wie eine Ballonfahrtbegleiterin über die Brücke folgen, seine Kleidung und Tasche auf dem Gepäckträger. Wenn er in Längholmen an Land ging, hatte sie immer schon auf ihn gewar tet.
Kjell kochte Kaffee, Sofi holte Brötchen und Zimtschnecken aus der Cafeteria. Die Gruppe besaß zwei Büros und einen großen Besprechungsraum, den sie auch für die Pausen nutzte. Kjell erzählte Barbro und Henning vom Tatort, enthielt sich dabei jedoch jeder Vermutung, was dort geschehen sein könnte.
Auch Barbro hatte viel zu berichten. Seit ihrer Ankunft im Präsidium hatte sie sich mit der Identität und den Lebensumständen von Carl Petersson beschäftigt. Er war 1955 in Norrköping geboren worden und hatte gleich darauf die Taufe und die Personenkennnummer 550812-1935 emplangen. Nach dem Studium der Ori enta listik und Archä o lo gie hatte er es rasch zu inter nationa lem Re nom mee als For scher gebracht.
Doch es gab einen harten Bruch in seinem Leben. Vor zwölf Jahren hatte er all das restl os verspielt, was er sich aufgebaut hatte. Mehr wusste Barbro noch nicht, aber Petersson hatte bis da hin eine Profes soren stel le in Upp sala in negehabt, von der er dann frei wil lig zu rückge tre ten war.
Die Reichs krimi nalpoli zei führte eine Akte über Petersson, und Barbro hatte auch bereits das Dossier erhalt en, das die Säpo, der schwe dische Staatsschutz und Geheimdienst, über ihn führte. In beiden Akten wurde Petersson mit Antiquitätenschmuggel in Verbindung gebracht. Vor all em ging es jedoch um die Fälschung von Ant iquit ät en. Man wusste bisher nur, dass Petersson sowohl über das Fachwissen als auch über die Kontakte in beide Richtungen verfügte, um in diesem Geschäft mit mischen zu kön nen.
Für die west lichen Poli zeiorga nisationen war das natür lich nicht genug ge wesen, um ihm et was nachwei sen zu kön nen. Zudem gab es auch berechtigte Zweifel daran. Die Ägypter hatten Petersson schon 1989 ein Grabungsverbot erteilt, nachdem man einen französischen Mitarbeiter aus einem seiner Grabungsteams an der jordanischen Grenze mit dem Kopffragment einer Königsstatue aus herrlichem Rosengranit im Kofferraum erwischt hatte. Im Jahr 1992 erteilte Ägypten Petersson dann ein generel les Ein rei se ver bot.
»Das muss man bezweifeln«, bemerkte Sofi. »In seiner Küche hängt ein Foto von ihm, das ihn vor dem Ägyptischen Museum in Kairo zeigt. Dieses Bild kann erst Ende der neunziger Jahre nach dem Anschlag entstanden sein.«
Barbro nickte. »Das behaupten die von der Säpo auch. Es ist nicht bekannt, ob er sich durch Bestechung den Weg ins Land zurückgekauft hat, oder ob es andere Abmachungen gibt.«
Kjell entschied, dass sie sich an den Amtsnachfolger von Petersson i n U p p sala w e nden sollten, u m herauszufinden, was vor zwölf Jahren zu Peterssons Rücktritt geführt hatte. Sofi wollte das übernehmen.
»Der Tatort selbst gibt uns eine Reihe von Rätseln auf«, meinte Kjell. »Da wird dieser Mann nach all seinen Abenteuern in fernen Ländern zu Hause an seinem Schreibtisch in seinem Mor gen mantel ermordet.«
»Wie war denn der Rest der Wohnung?«, wollte Barbro wissen.
»Der Flur ist ein langer Schlauch, die Zimmer sind wie an einer Kette daran aufgesäumt.« Kjell skizzierte den Grundriss auf einem Blatt Papier. »Eigentlich recht schön. Der Eingang liegt in der Mitte, nach links am einen Ende des Flurs kommt man zum Arbeitszimmer, in der anderen Richtung ist das Wohnzimmer, dazwischen Küche und Schlafzimmer. Das ist im Vergleich zu den anderen Zimmern klein. Man kann das Bett auf vernünftige Weise nur vom Fußende aus betreten, muss also hineinhechten oder draufkrabbeln. Sonst sah es so aus wie bei mir, wenn man Linda und ihre Bilder einmal wegrechnet. Eine geschmackvolle Mischung aus Büchern und ein paar Möbeln.« Sofi und Barbro grinsten sich an.
»Glaubst du, er hat allein dort gewohnt?«, fragte Sofi und wischte sich mit dem Finger über die Nasenspitze, um die Grimasse aus ihrem Gesicht zu verscheuchen.
»Warum sollte er nicht?«
»Die Wohnung war so sauber. Bis auf die Küche war all es frisch geputzt. Ist dir das nicht aufgefallen?« »Doch, nirgendwo Staub.«
»Kjell hat ja auch eine Putzfrau«, lachte Barbro. »Oder sogar
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