Der Zweite Tod
zwei, wenn man Linda dazurechnet.«
Sie saßen noch eine halbe Stunde zusammen. Das Gespräch wendete sich dem sonderbaren Passwort und dem Computer zu. Der Zettel mit dem Passwort war ein langer Papierstreifen und hatte das Format eines Kassenbelegs, wie man ihn am Ende eines Weihnachtseinkaufs im Supermarkt in die Hand gedrückt bekommt. Darauf standen fünfzig Zeilen mit je fünf Hieroglyphen, ein ordentliches 50X5-Gitter mit Trennlinien, die mit dem Lineal gezogen waren. Offenbar hatte Carl Petersson die Zeichen mit der Hand geschrie ben, denn ei nige wie der holten sich zwar, sahen aber nie ganz identisch aus. Der Vergleich mit anderen Notizen legte nahe, dass die Hieroglyphen aus seiner Hand stammten, aber man konnte sich dabei nicht so sicher sein wie bei einer normalen Handschrift.
Dieses Rätsel würde zu Sofis Aufgaben gehören, denn es kam nicht nur ihrer Neigung für Ägypten entgegen, vor allem brachte sie alle Fähigkeiten in Mathematik und EDV mit. Sofi war keine angelernte Computerspe zia listin wie die meis ten IT-Spezi a listen. Sie hatte sich das Programmieren und Zusammenschrauben von Computern seit ihrem zwölften Lebensjahr in ihrem Zimmer auf dem värmländischen Bauernhof von der Pike auf selbst beigebracht. Bei ihrem Anblick ahnte man davon nichts. Heute sah sie zum Beispiel in ihrem schlichten schwarzen Rock und dem Pulli in der gleichen Farbe aus, wie Amerikaner sich eine fran zö si sche Ga le ris tin vor stell ten. Ob wohl er sie kaum ein halbes Jahr kannte, glaubte er sagen zu können, dass ihr seit ihrem Umzug nach Stockholm vor drei Jahren andere Dinge wichtiger geworden waren als der ganze Jungskram. Bei der Polizei hatte man von Sofis Talent erst diesen Sommer erfahren. Sie hatte nämlich noch ein weiteres Talent, das Herumpfuschen an selbst began genen Feh lern und das da ran an schlie ßende Heraufbeschwören von Katastrophen. Nur ihre drei Kollegen kannten Ausschnitte aus Sofis virtuoser Vergangenheit an der Computertastatur. In der Praxis wurde von ihrem Können selten Gebrauch gemacht. Es machte sich vor allem in unscheinbaren Delails bemerkbar. Zum Beispiel lieften außer den Taschen lampen so gut wie alle stromver brauchenden Geräte bei der Gruppe und in Sofis Haushalt mit Linux. Den Unterschied zwischen ihm und ihr hatte Kjell inzwischen begriffen. Wenn er eine Glühbirne wechselte, die dann nicht brennen wollte, zweifelte er an seinen Fähigkeiten. Passierte das Sofi - was noch nie vorgekommen war, dann würde sie zuerst an den Fähigkeiten der Glühbirne zweifeln.
Nach der Besprechung rief Sofi am Lehrstuhl für Orientalistik in Uppsala an. Es gelang ihr noch, ihren Namen und ihr Anliegen vorzutragen, bevor die Sekretärin Margareta Widell die Führung übernahm, was sich auch gleichzeitig als Verabschiedung he raus stel len sollte. »Der Herr Profes sor hält am Vor mit tag seine Vorlesung«, begann sie. »Dann wird er eine Weile außer Haus sein. Im Anschluss nimmt er an der Dekanatssitzung teil, und am Nachmittag hält er sein Seminar ab. Ihr könnt es um kurz vor drei probieren, vielleicht hat er vor dem Seminar ein paar Minuten Zeit, aber ich kann es euch nicht versprechen.«
Sofi erwähnte noch einmal, dass sie von der Reichsmordkommission sei, aber für Margareta Widell unterstand die Welt einer anderen Hierarchie. Sofi beendete das Gespräch und beratschlagte sich mit Barbro.
»Du darfst dich nicht immer so überrumpeln lassen«, fand Barbro. Dann rief sie bei der Polizei in Uppsala an und bestellte Widell und Professor Tiveus noch für diesen Tag zum Verhör nach Stockholm.
Sofi nahm sich vor, bei der Vernehmung richtig hartnäckig zu sein.
Nach dem Telefonat zogen Kjell und Sofi durch den weitläufigen Gebäudekomplex zum Büro von Sten Haglund, dem Chef der Reichskri mi nalpoli zei.
»Ich möchte, dass du dich ganz auf diese Computergeschichte und das Passwort konzentrierst«, sagte er auf dem Weg dorthin. Sofi nickte. »Henning soll sich die Wohnung vornehmen und die schriftlichen Unterlagen. Barbro sucht nach Personen, die Petersson gekannt haben.«
Auch Agneta Norrbeck war bei der Besprechung anwesend. Sie war die Chefin der Polizei von Stockholm und seit Jahr und Tag mit Kjell befreundet. Zu Kjells Erstaunen war auch Nils Kullgren, der Chef der Säpo, an Petersson interessiert.
»Schön, dass ihr alle Zeit habt«, sagte er zur Begrüßung. »Wo ich doch nur eine kleine Raute in eurem Organigramm bin.«
Sofi war wie immer aufgeregt, wenn sie mit
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