Der Zweite Tod
riesig.«
»Wieso du?«
Er klang erbost.
»Erzähle ich dir später.«
»Was ist in dem Rucksack?«
»Ich habe ihn noch nicht geöffnet.«
»Öffne ihn. Der Termin in Madrid ist in einer Stunde. Ich muss wissen, was da drin ist.«
»Warte!« Sofi begann, die beiden Schnallen der oberen Verdeckklappe zu lös en. Sie war bisher noch gar nicht auf die Idee gekom men hineinzuschauen, so glück lich war sie gewesen. Kurz schoss ihr durch den Kopf, dass eine Bombe darin stecken könnte. Unter der Klappe wartete noch eine Verschnürung. Dann kam eine Plastiktüte zum Vorschein. Es war eine Einkaufstüte, sie war oben verknotet. Sofi bohrte den Finger in das Plastik und riss es auf. Geldscheine. Sie sah Euroscheine. Grüne. Sofi griff tiefer in den Rucksack und spürte dort weitere Tüten, die auch Scheine zu enthalten schienen. Ja, auch Scheine. Sie hielt sich das Telefon ans Ohr.
»Geld, Kjell. Euroscheine.«
»Was ist noch drin?« »Nur Geld.« »Wie viel?«
»Ein Acht zig-Liter-Rucksack vol ler Hundert-Euro-Scheine. Frische Bündel. Wir sind auf dem Weg in die Botschaft.«
»Ruf sofort an, wenn du da bist!«, brüllte er ins Telefon.
Sie beendeten das Telefonat. William hatte in der Zwischenzeit die unt er en Tüt en inspiziert. Sie enthielt en auch Geldscheine. Zum Glück sah der Fahrer stur nach vorne.
Das Taxi befand sich nun auf einer breiten Straße kurz vor dem Zentrum. Williams Telefon klingelte. Er selbst sprach nicht, hörte nur zwanzig Sekunden lang zu. Dann legte er auf.
Sofi sah ihn fragend an.
»Sie wollen in Madrid auch zuschlagen«, berichtete er. »Aber sie überlegen, ob es eine Falle ist, deshalb haben sie dort die einhei mi sche Poli zei hin zuge zogen.« Er drehte sich um und stierte aus dem Heckfenster. Sofi tat es ihm nach. Dann sah er sie ratsu chend an.
»Da fahren Hunderte von Autos kreuz und quer durcheinander«, sagte sie. In Kairo war es so gut wie unmöglich herauszufinden, ob man verfolgt wurde. Andererseits glaubte sie, dass es ebenso wenig möglich war, jemandem über eine längere Strecke zu folgen, ohne ihn zu verlieren.
Erst nach ei nigen Ki lometern ließ sie sich von Wil liams Unruhe anstecken. Sie sahen immer wieder aus dem Fenster und hielten Ausschau. Dann geriet das Taxi in einen Stau.
»Wir teilen uns auf«, sagte William und legte seine Hand auf den Türgriff.
Ich mit dem Geld und du nur mit deiner Jeansj acke unter dem Arm?, dachte Sofi und hob die Augenbrauen. »Was soll das bringen?«
»Ich weiß es nicht genau, aber so habe ich es gelernt.« »Du hast Ver folgt werden gelernt?«
»Was denkst du denn?«
Wil liam begann, die Tüten in sei nen klei nen Ruck sack zu stopfen. Etwa die Hälfte passte hinein.
»Nimm du den kleinen«, sagte er ritterl ich. »Ich steige mit dem großen aus und nehme die U-Bahn. Du fährst mit dem Rest weiter.«
Er packte den Rucksack und zerrte ihn aus dem Taxi. Sofi sah ihm nach, froh, dass das Rot mit William im Eingang der U-Bahn-Station verschwand. Zwei Minuten später konnte das Taxi weiterrollen, wenn auch nur langsam. Sofi wies den Fahrer an, sich östlich zu halten, weil sie glaubte, dass der Verkehr dort rascher floss. Sie blickte sich immer wieder um, konnte aber nichts entdecken. In der
Shahira al-Gamaliyah
geriet das Taxi wieder in einen Stau. Heute war Freitag, und bei der HusseinMoschee drängten Massen von Menschen über die Straßen. Sie entschied, in die Masse einzutauchen, und verließ das Taxi. Der Fahrer hatte kein schlechtes Geschäft gemacht und konnte sich für den Rest der Woche mit seinem Wischt uch gehenl assen. Doch das konnte ihn nicht dazu bringen, zum Abschluss zu lächeln oder Sofis Gruß zu erwidern. Sie hastete kreuz und quer durch die Gassen des Bazars und schlüpfte am anderen Ende durch eine schmale Gasse, in der sich die Hauslassaden wie im Mit tel alter oben so aufei nander zuwölbten, dass vom Himmel nur ein schmaler Schlitz zu sehen war. Sie mündete in eine große Straße. Sofi winkte sich ein neues Taxi herbei und ließ sich nach Za ma lek bringen.
Die Fahrt verlief reibungslos. Der Fahrer redete wie ein Wilder, und die lebhafte Unterhaltung tat ihr gut. Sie stieg direkt vor der Botschaft aus und ging hinein. Hinter der Eingangstür stützte sie sich an der Wand ab und atmete tief durch.
William war noch nicht angekommen. Doch in der Nähe gab es auch keine U-Bahn. Er musste vom Museum aus die Brücke überqueren und dann die ganze Uferstraße hochlaufen oder ein Taxi nehmen. Sie
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