Der Zweite Tod
bald in der Nachbarschaft ansiedeln, später Nachtclubs und Cafes.
Ida fragte nicht, wieso sie hier waren. Sie hatte die seltene Fähigkeit, eine Situation unwissend zu genießen. Sie reagierte generell nicht neugierig auf Reize aus ihrer Umgebung, nur Ideen oder Fragen, die sie sich selbst stellte, konnten bei ihr Neugier auslösen. Er hatte sich so gefreut, es ihr zu eröffnen, aber nun traute er sich nicht.
»Du weißt ja, dass ich von Madel eines Eltern geerbt habe.«
Was für ein katastrophaler Einstieg, aber nun gab es kein Zurück. »Ihr Vater ist kurz nach ihr gestorben. Davor hat er noch das Landhaus verkauft, weil er nicht wollte, dass Linda und ich es aus schlechtem Gewissen behalten würden. Gerissen, wie er war, hat er eine Menge dafür bekommen. Aber das war nur ein kleiner Teil seines Vermögens. Linda und ich erbten je die Hälfte. Wir haben uns immer gemocht, und er hat mir nie geglaubt, dass es mir bei der Pol izei wirkl ich gefällt. Dort habe ich ja nur angefangen, weil Linda kam. Er wollte, dass ich es mir erlauben kann, wieder zu kündigen. Das Geld liegt sinnlos herum, und ich muss es endlich anlegen. Jedenfalls habe ich das Geschäft gekauft.«
Idas Augen standen weit offen. »Es gehört dir? Das bedeutet ja, dass ich mir alles ausleihen kann! Wenn ich mal ein bestimmtes Buch lesen möchte, kann ich es mir bei dir einfach ausleihen.«
»Das kannst du, sicher.«
»Jetzt suchst du eine Verkäuferin. Da bewerbe ich mich gleich! Ich bin sehr beanspruchbar, wie du weißt.« Sie stemmte sich hoch und gab ihm ein Bewerbungsküsschen.
»Jetzt kommt der heikle Teil«, sagte er und nahm all seinen Mut zusammen. Er legte den Schlüssel vor sie hin. »Der gehört dir.«
»Ich bekomme einen eigenen Schlüssel?« Er hatte Idas Ge spür für dra matische Bild sprache reich lich über schätzt.
»Du sollst den Laden führen. Wenn du das möchtest. Dafür gehört dir die Hälfte von allem.«
»Wir haben zusammen ein Buchgeschäft?«
»Lieber nicht. Dein still er Teilhaber heißt Linda. Ich halte mich raus. Wir beide teilen etwas anderes.«
Er grinste und sah zum Ausgang.
47: Montag, 10. Dezember
Es war Montag, der zweite Tag der Luciawoche. Barbro zündete zwei Kerzen am Adventskranz auf dem Besprechungstisch an. Offenbar war Henning am frühen Morgen bereits hier gewesen und hatte Barbros Zettel auf seinem Schreibtisch entdeckt. Er sei sogleich nach Norden aufgebrochen, um den Eigentümer des Som mer hau ses zu ermit teln, teilte er ihnen eben falls auf einem Zet tel mit. Die hei lige Lu cia brachte weiter hin Geschenke. In der Hauspost lag ein Brief, adressiert an Carl Petersson und wie alle anderen Briefe an ihn ins Präsidium umgeleitet. Barbro blickte ihm über die Schulter, als er den Brief öffnete.
Er hielt eine Mahnung an Carl Pet ersson in den Händen. Petersson war nicht mehr dazu gekommen, eine Rechnung zu be zah len. Es hat ten sich bereits ei nige Mah nun gen bei der Polizei angesammelt, aber diese ließ Kjell das Herz höher schlagen. Der Brief kam von einem Anwaltsbüro in Östermalm und ent hielt als Leistung das Wort »Tes ta mentserstel lung«. Nun war klar, weshalb Henning nichts gefunden hatte. Das Testament musste ganz frisch sein, und der Anwalt hatte keine Möglichkeit gehabt, aus der Presse zu erfahren, dass er das Testament nun vollstrecken konnte.
Kjell griff zum Telefon und rief in der Kanzlei an. Die Auskunft war erschöpfend. Der Anwalt erinnerte sich gut an das Gespräch mit Petersson vor sechs Wochen. Petersson war an einem Montagmorgen dort unangemeldet aufgetaucht, um sich aus führlich da rüber beraten zu lassen, wie man sein Testa ment ändern konnte.
»Die Begünstigte ist eine Mari Svahn. Herr Petersson informierte mich, dass es keine lebenden Verwandten mehr gebe.«
Kjell sah sich mit all seinen Spekul at ionen schon ans andere Ende des Regenbogens zurücklaulen. »Gibt es denn ein älteres?«
»Das gibt es, aber ich konnte es nicht einsehen. Herr Petersson äußerte sich nur vage und erklärte, dass er auf das ältere Testament keinen Zugriff mehr habe. Er wollte im neuen ausdrücklich erwähnen, dass das alte seine Gültigkeit verliert.«
»Und wer war darin der Begünstigte?«
»Den Namen wollte er nicht nennen. Ich konnte nur heraushören, dass dieses Testament vor nicht allzu langer Zeit niedergeschrieben worden war, allerdings ohne Rechtsbeistand.«
»Hat er ei nen Grund für sei nen Sin neswandel ver raten?«
»Allerdings. Im Hinblick auf
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