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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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ich sage das gerade ganz grundlos, einfach nur so, zum Spaß.
    Marlen macht zwinker.
    Ich mache zwinker.
    Gott steckt den Stecker wieder in die Dose, Nummer 11 nickt.
    Â»Das freut mich, dass Sie eine Freundin haben. Wie sieht sie denn aus?«
    Nummer 11 gibt einen Laut von sich, den ich nicht so richtig zuordnen kann. Vielleicht ist es etwas Artikuliertes, zum Beispiel die Antwort auf meine Frage, dann könnte es sich um ein schlichtes schön handeln. Wenn nicht, dann tippe ich auf ein schlichtes stöhn.
    Jetzt könnte ich natürlich fragen, wie seine Freundin heißt, aber das lasse ich lieber. Raoul oder Paul würde irgendetwas murmeln, zum Beispiel Lea oder Lena, und ich müsste ihn dann aussuchen, den Namen seiner Freundin.
    Â»Um Himmels willen, jetzt machen Sie schon weiter, Nummer 11 !«, blafft Schwester Cornelia.
    Nummer 11 gibt sich einen Ruck und macht weiter. Die Hand mit dem Waschlappen bewegt sich langsam auf mich zu, ein Rest an Elektrizität ist noch da, die Hand vibriert leicht, sie peilt meinen Brustkorb an, die Spannung steigt, und wir fragen uns alle nur das eine: Wird sie es diesmal schaffen?
    Wetten nicht?
    Gewonnen.
    Knapp über meiner rechten Brust geht die Hand scharf in die Kurve und landet dort, wo sie schon zweimal war. Rechte Achselhöhle. War schon, zweimal. Linke Achselhöhle auch. Linker Arm, rechter Arm, Hals, war alles schon zwei- bis dreimal, so ein menschlicher Oberkörper gibt nicht viel her, wenn du dich auf das obere Drittel beschränkst.
    Der Waschlappen wandert durch die Mulde, dann in Gegenrichtung wieder zurück, das hat er die letzten beiden Male auch getan, und es fühlt sich auch diesmal wieder an wie die letzten beiden Male. Wie eine Zunge. Die Zunge eines großen Tiers, feucht und ziemlich rau. Gras wächst in der Mulde, rasieren war noch nie mein Ding, die Zunge leckt über das Gras.
    Â»Herrgott, Nummer 11 ! Wie oft wollen Sie denn noch in den Achseln von Frau Block herumwischen, Sie scheuern mir die arme Frau noch wund!«
    Schwester Cornelia zerrt, Frau Fitz schwenkt und singt. »So wund, so wund«, singt sie.
    Die Zunge liegt für einen Moment regungslos in der Mulde, wo sie gerne für immer bleiben würde, versteckt im Gras. Dann rafft sie sich auf und gleitet ins Freie.
    Sieh da, ein Obstgarten.
    Schau an, zwei Birnen.
    Fallobst. Ziemlich verschrumpelt, wahrscheinlich ökologischer Anbau, ich bin der Boden, auf dem sie liegen, Großmutter Erde hat nichts mehr vor mit ihren Früchten, sie starrt in den Himmel.
    Da sind ein paar Risse in der Decke.
    Da ist ein Lautsprecher.
    Eine Lampe.
    An der Lampe klebt etwas, vielleicht ein sehr großes Insekt, vielleicht eine sehr kleine Hamsterseele. Sie hat ihre Himmelfahrt nicht geschafft, und jetzt klebt sie da, zwischen Tod und Erlösung. Die Zunge fährt mir übers Schlüsselbein, einmal, zweimal, dann tastet sie nach der ersten Birne.
    Marlen würde übrigens sagen, dass ich da falschliege. Obst und Gemüse, würde Marlen sagen, sind eine heikle Angelegenheit, wenn es um Bilder geht oder Vergleiche, da muss man sehr genau sein, sonst entsteht ein falsches Bild. In meinem Fall zum Beispiel müsste man eher von Auberginen sprechen als von Birnen. Das mit dem ökologischen Anbau stimmt.
    Nun gut.
    Sagen wir also: Feldfrucht.
    Sagen wir: langgezogener Hautsack, keulenförmig.
    Â»Wie wär’s mit Titte? «, würde Karlotta sagen. »Sag doch einfach Titte, wenn du Titte meinst, ist doch ganz einfach. Alte, schlaffe, hässliche Titte, ganz einfach. Und wenn dir das unangenehm ist, dass diese kleine Arschbacke von einem Pazifisten an deinen Titten herummacht, dann sag’s doch einfach.«
    Ach wo.
    Ach was.
    Von wegen unangenehm, das wäre ja lächerlich, nach acht Tagen in der R ESIDENZ , wo schon jeder vom Stationspersonal an mir herumgeschrubbt hat. Acht Tage R ESIDENZ , das sind acht Mal Ganzkörperwäsche am Morgen und acht Mal Teilkörperwäsche am Abend, also erzähl mir nichts von wegen unangenehm. Schwester Olga, Schwester Cornelia, Schwester Terese, sie haben mich alle schon gewaschen.
    Erzähl mir nichts von wegen Frauen unter sich.
    Herr Rudolph, der Hilfspfleger, hat mich auch schon gewaschen. M it Latexhandschuhen, zugegeben, aber das ist nur ein Anfängerfehler, außerdem sein einziger, der Rest ist sehr professionell, quasi ein Naturtalent, der Junge, das sagt Schwester Cornelia auch

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