Der Zwerg reinigt den Kittel
seine GroÃmutter sein könnte.
»Du bist ja sowas von gemein«, wird Suzanna kichern, und Karlotta wird sagen, dass sie selten etwas so Abgeschmacktes gehört hat und dass der kleine HosenscheiÃer es nicht anders verdient hat.
Deserteur.
Pazifist.
Paul.
So heiÃt er, glaube ich, oder Raoul, er hat sich vorgestellt, aber seinen Namen in dem Augenblick wieder verschluckt, in dem er ihn herausgewürgt hat.
»Schöner Name«, habe ich gesagt, »wie war er noch mal?«
»Nummer 11 «, hat Schwester Cornelia gesagt, die gerade dabei war, der nach wie vor walzertrunkenen Frau Fitz das Nachthemd über den Kopf zu ziehen, und ihr dabei fast die Elfenflügel ausgerissen hätte. »Er heiÃt Nummer 11 .«
Raoul oder Paul hat sich die glatte Föhnwelle glattgestrichen und hilflos gegrinst. Dann hat er den ersten Knopf an meinem Nachthemd geöffnet.
Später wird mir Schwester Cornelia erklären, dass die Zivis in der R ESIDENZ nie Namen haben, weil sie so oft wechseln, und da haben alle aufgehört, sich die Namen zu merken. Oder es überhaupt zu versuchen. Kaum einer hält es länger als zwei Wochen hier aus, wird mir Schwester Cornelia erklären, ein paar sprengen die magische Ein-Monat-Grenze, und wer es bis zum Ende schafft, der hat eine Ausbildung in Nahkampf, Selbstverteidigung und Latrinenputzen absolviert, von der die kasernierten Kollegen nur träumen können. AuÃerdem bekommt er seinen Namen zurück.
»Nummer 5 , Jahrgang 2016 , das war der Letzte, der bis zum Schluss geblieben ist«, wird Schwester Cornelia sagen. »Damals haben die Zivis noch Freiwis geheiÃen, aber dann hat die Regierung den Freiwilligendienst abgeschafft und das alte Modell wieder eingeführt, weil kaum einer freiwillig als Freiwi arbeiten wollte. Nummer 5 schon, ein wirklich netter Kerl, und sehr tapfer. An seinem letzten Tag in der R ESIDENZ haben wir zum Abschied eine Flasche Sekt geköpft, in der Teeküche, und da ist einer Kollegin eingefallen, dass Nummer 5 eigentlich Horst heiÃt, und da haben wir zum ersten Mal seit sechs Monaten Horst zu ihm gesagt. Prost Horst!, haben wir gesagt, er war gerührt.«
Nummer 11 des aktuellen Jahrgangs taucht den Waschlappen in die Schüssel. Das Rollwägelchen mit der Schüssel parkt neben meinem Bett, ich parke auf dem Laken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Mein höhen- und lagenverstellbares Bett ist defekt und lässt sich weder höhen- noch lagenverstellen, deswegen liege ich flach, Nummer 11 sitzt auf meiner Bettkante. Genau genommen ist es nur seine rechte Arschbacke, die da sitzt, und auch von der nur ein paar Quadratzentimeter. Er zieht den Waschlappen durch das seifige Wasser, einmal nach rechts, einmal nach links, jetzt im Kreis durch die ganze Schüssel, die Schüssel wird zur Uhr, der Lappen zum Zeiger. Zwölf, drei, sechs, neun, zwölf. Jetzt in Gegenrichtung wieder zurück. Neun, sechs, drei, zwölf, der Junge lässt sich echt Zeit, aber hallo.
Gut so.
Weiter so.
Jede Minute ist kostbar, und wenn du so weitermachst, Rekrut Nummer 11 , dann werden bei der heutigen Morgenpflege nicht die üblichen fünf bis zehn Hamster sterben, sondern bis zu zwanzig.
Tod durch Genickbruch.
Tod durch Ertrinken.
Viele kleine Hamsterseelen, ich sehe sie schon aus der Schüssel schweben, in der du gerade die Zeit umrührst. Ihr Fell ist nass und weià verklebt von der Seife, sie schweben an die Decke und weiter nach oben, das ist die Himmelfahrt des kleinen Lebens: geopfert für ein groÃes Vorhaben.
Goldenes Verdienstkreuz.
Für den tatkräftigen Einsatz bei unserem groÃen Vorhaben, die gesetzliche Krankenkasse zu bescheiÃen, gebührt dir das Goldene Verdienstkreuz, Rekrut Nummer 11 .
Mami wird stolz auf dich sein.
Die fremde Omi ist es schon jetzt.
»Schneller!«, blafft Schwester Cornelia in seine Richtung, sie zerrt gerade an Frau Fitz herum, genauer gesagt an der Netzhose.
Frau Fitz legt einen Walzerzahn zu.
»Nicht Sie «, blafft Schwester Cornelia. » Sie sollen endlich stillhalten! Mein Gott, es ist auch immer dasselbe mit Ihnen, Frau Fitz!«
»So blau, so blau.«
Nummer 11 hebt den Waschlappen aus der Schüssel und drückt ihn aus. Er streift den Lappen über die rechte Hand, dann streicht er sich mit der linken über die feuchtglänzenden Stirnfransen. Das macht er jetzt schon zum achten oder neunten Mal, seit
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