Der Zwerg reinigt den Kittel
hundert Jahren davon redet, jeden Morgen, jeden Abend, überhaupt immer, wenn sie nicht gerade schweigt.
Die Gräfin, sagt Schwester Cornelia, hat mit allem abgeschlossen. Die Vergangenheit ist ihr egal, die Gegenwart auch, nur die Zukunft zählt, und die Zukunft ist der Tod. Deswegen plant die Gräfin seit hundert Jahren ihr Begräbnis.
Der Stapel Broschüren, auf dem sie immer sitzt: Broschüren über Kränze und Urnen, über Blumengestecke und Trauerschleifen. Das schwarze Kleid, das sie immer mit einem Geschirrtuch vor herabfallender Asche schützt: ihr Totenkleid. Sie trägt es jeden Tag, sie trägt es ein, wie man so sagt, und kein lebender Mensch weiÃ, wie viele schwarze Totenkleider mit hochgeschlossenem Kragen die Gräfin schon verschlissen hat, auf jeden Fall geht jedes Jahr zu Weihnachten eine von den Schwestern los und kauft ihr ein neues. AuÃerdem kauft sie ihr ein paar neue Stricknadeln, und kein Mensch weiÃ, wofür die Gräfin die Stricknadeln braucht und wie sie es schafft, die Dinger immer so zu verbiegen. Kein Mensch, auÃer Schwester Cornelia. Und Schwester Olga. Und Doppelrudi natürlich, überhaupt alle vom Pflegepersonal, nur Schwester Terese nicht, und fragen Sie jetzt bitte gerne, warum.
Fragen Sie zum Beispiel Doppelrudi, warum Schwester Terese nichts davon weià und warum ihr keiner etwas sagt, obwohl sie die Information gut gebrauchen könnte im demütigenden Kampf gegen den Heimleiter, der Schwester Terese persönlich für den ständig defekten Brandmelder verantwortlich macht.
Wissen Sie eigentlich, was so ein Elektriker kostet!
Fragen Sie Doppelrudi, warum keiner etwas sagt zu Schwester Terese, und Doppelrudi wird grinsen und sagen: Einfach nur so. Zum SpaÃ.
Bomke & Partner.
So heiÃt die Firma, der die Gräfin ihre Zukunft anvertraut hat. Bestattungsunternehmen Bomke & Partner. Kompetent, preiswert, individuell.
Die Gräfin hat alles schon bezahlt, pauschal. Wenn Bomke bankrottgeht, ist die Zukunft der Gräfin ruiniert. Ein Vorsorgekonto wäre besser gewesen, hat Schwester Cornelia gesagt, und dass Bomke jedes Vierteljahr Nachzahlungen von der Gräfin verlangt, weil die Kosten der Partner wieder gestiegen sind.
Transportunternehmen Schnittke.
Pietätsartikel Konrad & Söhne.
Sargtischlerei Grüneisen.
Notariat AdvoGarant.
Floristik Ambiente.
Krematorium X, Försterei Y, Reederei Z, die Liste geht noch weiter, die Liste ist lang.
Försterei?, habe ich gesagt.
»Ja!« Schwester Cornelias Gesicht war ganz rot, weil sie sich so in Rage geredet hat bei den Partnern von Bomke, mit denen sie alle paar Monate telefonieren muss, im Auftrag der Gräfin. »Ich arbeite die ganze Liste ab und versuche, die Preise zu drücken, aber da ist nichts zu machen, vor allem nicht bei den Förstern, weil das quasi Beamte sind. Die können verlangen, was sie wollen, die Förster, die sind einfach nicht wegzukriegen aus ihrem Wald!«
Wald?, sage ich.
Ich sage: Förster?
Braucht man sowas für eine Seebestattung?
Schwester Cornelia sieht mich an. Blick auf eine Fünfjährige, die noch keine Ahnung hat vom Leben und glaubt, dass es aus Sandkuchen und lustigen Folterspielen mit Kleintieren besteht. Dann hat sie mir alles erklärt. Ein bisschen zu ausführlich, wenn Sie mich fragen, aber seitdem weià ich, dass die Gräfin sich einfach nicht entscheiden kann, welche Art von Bestattung sie will. Anders gesagt: Sie entscheidet sich ständig, jeden Morgen neu. Manchmal ist es ein paar Tage jeden Morgen die Seebestattung, für die sie sich neu entscheidet, dann wechselt sie zur Erdbestattung, so eine ganz normale mit Einzelgrab und Grabstein, das kann bis zu einer Woche dauern, dann wechselt sie eines schönen Morgens plötzlich zu etwas anderem.
Feuerbestattung.
Bergbestattung.
Wiesenbestattung.
Steilküstenbestattung.
Baumbestattung.
Bei allen Baumbestattungen arbeitet Bomke mit den zuständigen Förstern zusammen, und die sind einfach nicht wegzukriegen aus ihrem Wald.
Knack. 07 : 42 . Fiep.
Noch drei Minuten bis zum Radetzkymarsch, Frau Wimmer steckt bis zu den Schultern im Müllsack, ich zünde mir zwei Zigaretten an und ziehe der Gräfin den erloschenen Stummel aus dem Mundwinkel. Ich nehme eine Zigarette aus meinem Mund und klemme sie der Gräfin zwischen die Lippen.
Habe ich erwähnt, dass der Müllsack nicht Frau Wimmer gehört? Frau
Weitere Kostenlose Bücher