Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
Vom Netzwerk:
murmelt.
    Sie macht das jeden Morgen.
    Murmelt Unsinn.
    Sitzt da mit geschlossenen Augen, das Flugzeugfutter liegt unberührt neben ihrem Teller, die Hände liegen gefaltet im Schoß.
    Â»Maldtnaz«, murmelt sie, »Maldtnaz zebberck, verschone mich, du Listenreiche, Vielgestaltige …«
    Ich greife zitternd nach meiner Erdbeermarmelade.
    Â»â€¦ du Erdzerreißerin, Unterweltliche, verschone mich …«
    Ich ziehe zitternd den Deckel ab, ich werfe einen Blick auf die Uhr, man weiß nie so genau, wann sie kommt, aber es kann nicht mehr lange dauern.
    Â»â€¦ Türbrecherin, Feuerschreiterin, verschone mich …«
    Die Küchenhilfe und Doppelrudi haben ihre Wägelchen in eine Ecke geschoben und neben der Tür Aufstellung genommen. Sie tragen jetzt wieder ihre weißen Kittel, die Hygienehaube der Küchenhilfe sitzt perfekt.
    Â»â€¦ Allesfressende, Unersättliche, verschone mich …«
    Schwester Cornelia schiebt die Plastikblumen auf Tisch Nummer zwei ein Stück nach rechts, dann wieder ein Stück nach links, jetzt stehen sie genau in der Mitte.
    Â»â€¦ Hundeköpfige, Schlangenäugige, Rattenschnelle, verschone mich …«
    Schwester Cornelia geht zur Tür.
    Â»â€¦ Maldtnaz zebberck, Maldtnaz zebberck …«
    Schwester Cornelia stellt sich neben Doppelrudi und die Küchenhilfe, die Tür geht auf, Nummer 11 kommt herein. Er hält ein Tablett in der Hand, er sieht schrecklich aus. Auf dem Tablett sind kleine Plastikschälchen mit Etiketten, auf den Etiketten stehen Namen. In den Schälchen sind Pillen, gelb, grün, blau, immer in unterschiedlicher Kombination, und dann sind da noch die weißen Pillen, die sind in jedem Schälchen. Nummer 11 sieht wirklich schrecklich aus. Im Gesicht, aber auch auf den Armen. Marlen hat ihn ganz schön zugerichtet bei der Morgenpflege. Kein Wunder, dass der Nagellack abgesplittert ist.
    Schwester Cornelia nickt Nummer 11 zu und deutet auf die Stelle unter der Uhr, wo sich die Tablettträger von Schwester Terese immer hinstellen müssen. Nicht genau unter die Uhr, sondern ein bisschen links davon. Genau unter der Uhr darf nur Schwester Terese stehen.
    Nummer 11 schlurft auf seinen Platz, mit gesenktem Kopf und krummem Rücken. Vor einer knappen Stunde war er noch achtzehn oder neunzehn und im Zeichen des Friedens unterwegs, jetzt ist er ein kriegsversehrter alter Mann.
    Irgendwo weint eine Mutter.
    Das Forellenquintett dröhnt aus den Lautsprechern.
    Die Alten verwüsten winzige Einfamilienhäuser, Schwester Cornelia legt ihre Hand auf den Regler für die Lautsprecher und nickt Frau Schnalke zu, Frau Schnalke nickt zurück. Sie hebt Attila von ihrem Schoß und setzt ihn sanft auf den Boden. Sie nimmt ein kleines blutiges Stück Fleisch aus dem Plastikbeutel und lässt es in Attilas aufgerissenes Maul gleiten. Sie streift ihre Hand am Rock ab und nimmt die Liste, aus der sie gleich laut vorlesen wird. Gleich wird sie aufstehen und die Namen ohne Häkchen vorlesen, und jeder Name wird sein wie ein kleines Stück Fleisch.
    Für die Unterweltliche.
    Die Allesfressende.
    Â»Noch ein Witzchen gefällig die Damen Spaß muss sein Lachen ist gesund sag ich immer höhö also zuhörenzuhören kommt ein achtzig Jahre alter …«
    Schwester Cornelia dreht den Regler mit einer zügigen Bewegung auf null.
    Â»â€¦ Arsch«, sagt Schwochow und schlägt sich mit der flachen Hand auf den Mund, alle anderen Hände im Speisesaal der R ESIDENZ erstarren mitten in der Bewegung.
    Schwester Terese betritt den Raum.
    Totenstille.

10
    Es sind nur Gerüchte, aber es sind viele. Böse Gerüchte. Sie schwirren wie schwarze Vögel durch die R ESIDENZ .
    Schwester Terese, so heißt es, liebt ihren Beruf. Vor allem in der Nacht. Da geht sie von Zimmer zu Zimmer und kümmert sich um jeden. Manche behaupten, dass sie in allen Zimmern zugleich ist.
    Am nächsten Morgen beim Frühstück haben dann viele Leute Mickymäuse im Gesicht oder Striemen am Hals. Im Pflegebericht steht, dass sie gefallen sind auf dem Weg zum Klo oder dass sie sich selbst verletzt haben, weil alte Leute das manchmal machen. Sie verletzen sich selbst, und dann behaupten sie, man hätte sie misshandelt.
    Schwester Terese, heißt es, tut Dinge. Zum Beispiel bei der Morgenpflege, zum Beispiel mit den Zehennägeln. Sie schneidet dir die Zehennägel ganz kurz, auch wenn sie

Weitere Kostenlose Bücher