Der Zypressengarten
aufräumten, die Läden schlossen und Laken über die Möbel breiteten. Gute-Nacht begrüßte sie so überschwänglich wie immer, doch Violetta, Giovanna, Damiana und Dante waren fort. Wie ein unglücklicher Hund streifte Floriana durch die Gärten, verfolgt vom Echo des Sommers, das gespenstisch im Herbstwind säuselte.
Die Schule fing wieder an, aber nicht für Floriana, die einen Vollzeitjob in einem Restaurant bekam. Die Contessa stellte einen Privatlehrer für Costanza ein, denn die Verbindungen, die der Conte über den Sommer knüpfen konnte, zahlten sich in Form von diversen Arbeitsangeboten für ihn aus. Sie begannen sogar, ernsthaft einen Rückzug nach Rom zu erwägen. Die beiden Mädchen sahen sich nur noch selten. Früher einmal hatten sie sich alles erzählt; jetzt wurde die Kluft zwischen ihnen beständig größer, und ihre wenigen Begegnungn – nach der Messe oder manchmal im Ort, wenn Costanza zum Einkaufen in einen der Läden kam – waren komisch. Costanza hatte den Sommer viele neue Freunde gefunden; Floriana hingegen war einsam und isoliert, seit ihr einziger Freund fort war.
Dante schrieb täglich, und Floriana antwortete ihm mit Beteuerungen ihrer immerwährenden Liebe in ihrer kleinen, energischen Handschrift. Sie bewahrte seine Briefe in ihrer Kommodenschublade auf, zusammengebunden mit der rosa Schleife von Violettas Geburtstagsgeschenk. Ihr Diamantring war das wichtigste Band zwischen Dante und ihr, und sie hütete ihn gut. Dieser kostbare Ring konnte nur bedeuten, dass er sie einmal heiraten wollte.
Als sie anfing, sich schlecht zu fühlen, schob sie es zunächst darauf, dass sie nicht richtig aß. Doch schon bei dem Geruch von Essen wollte sie sich übergeben. Nach mehreren Tagen Übelkeit hatte sie Angst, sie könnte krank sein, und ging zu Signora Bruno. Die alte Frau fragte sie, wie oft sie gespuckt hatte und seit wann sie sich so fühlte. Floriana antwortete ihr ehrlich und fürchtete, sie müsste vielleicht sterben.
Doch Signora Bruno nahm sie mit in ihre Wohnung und setzte sie ins Wohnzimmer, ehe sie die Tür hinter sich schloss. Ihr Gesicht war wie versteinert, als sie Floriana fragte, ob Dante mit ihr im Bett gewesen war. Erst wich Floriana aus, weil sie doch versprochen hatte, es keinem zu sagen. Aber als Signora Bruno andeutete, dass sie schwanger sein könnte, gestand Floriana alles.
»Ist es so passiert?«, fragte sie verwundert.
Signora Bruno schüttelte entgeistert den Kopf. »Hat dir denn keiner was erzählt?«
»Wer sollte mir irgendwas erzählen?«
»Deine Tante?«
»Zita? Nein, wir haben nie über solche Sachen geredet.«
»Zum Teufel mit der Frau. Die taugt rein gar nichts. Was ist mit Costanza?«
»Sie weiß nichts.«
»Das kann nicht sein. Ist dir klar, wie ernst das ist? Du kriegst ein Kind. Wie wollen wir das verheimlichen?«
»Warum soll ich es denn verheimlichen?«
»Weil du selbst noch ein Kind bist, meine Liebe, und es ist gegen das Gesetz. Dante kommt womöglich ins Gefängnis. Er ist ein erwachsener Mann. Er hätte wissen müssen, dass er das nicht darf. Was ist bloß über ihn gekommen?« Signora Bruno rang die Hände. »Was wird Beppe Bonfanti machen, wenn er es erfährt? Gott stehe dir bei.«
Florianas anfängliche Freude darüber, dass sie nicht todkrank war, schwand dahin, als sie den Ernst ihrer Lage begriff. »Was soll ich jetzt tun?«
»Geh und rede mit Pater Ascanio. Er ist der Einzige, der dir helfen kann.«
»Bringe ich Dante damit nicht in Schwierigkeiten?«
»Pater Ascanio ist Priester und muss schweigen. Es gibt kein Geheimnis, das er nicht von mir kennt. Ich glaube eher, dass er sämtliche Geheimnisse in Herba kennt. Er wird nichts sagen, und ich sage auch nichts, so wahr mir Gott helfe.« Sie bekreuzigte sich. »Aber ich kann dir nicht helfen. Für solche Dinge bin ich nicht gerüstet. Der Pater allein wird wissen, was zu tun ist.«
»Ich muss es Dante erzählen.«
Signora Bruno sprang ihr fast ins Gesicht. »Nichts wirst du ihm erzählen! Ich habe gleich gewusst, dass von dieser Familie nichts Gutes kommen kann. Ich hätte dich warnen müssen, statt zuzulassen, wie dein Herz mit dir durchgeht. Kein Wort zu Dante, hast du verstanden? Nicht bevor du mit Pater Ascanio gesprochen hast. Du musst seinen Rat annehmen, und nur seinen!«
Floriana hätte ängstlich sein müssen, aber sie strich sich mit den Händen über ihren Bauch und fühlte nichts als Wunder und Glück. Sie würde ein Baby von Dante bekommen. Jetzt konnte sein
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