Der Zypressengarten
hast.«
Sie setzte sich auf ihr Bett und verschränkte die Arme entschlossen vor der Brust. »Mir ist nichts wichtig, außer dass ich dich und unser Kind liebe.«
»Aber das Leben ist komplizierter als das.«
»Nur, wenn du es zulässt.«
»Ich bin der Erbe meines Vaters.«
»Kannst du nicht einfach weggehen?«
»Und wovon sollen wir leben?«
»Ich habe mein ganzes Leben schon nichts, und ich bin glücklich.«
»Ich habe eine Pflicht meinen Eltern gegenüber. Es ist geplant, dass ich die Firma meines Vaters erbe. Das kann ich nicht alles wegwerfen und in den Sonnenuntergang reiten. Mein Vater würde mich enterben, meiner Mutter das Herz brechen, und ich hätte nichts mehr. Verstehst du das nicht? Ich verliere alles.«
»Du verlierst nur Dinge, die nicht wichtig sind.«
Dante kam sich wie ein Ertrinkender vor. An seiner Liebe zu Floriana zweifelte er keine Sekunde, sehr wohl aber daran, dass er fähig wäre, sich gegen seinen Vater zu stellen. Sein Leben lang hatte er getan, was man von ihm erwartete, und sich Beppes Liebe verdient, die an klare Bedingungen gebunden war. Er hatte den größten Respekt vor seinem Vater, doch wenn er genauer in seiner Seele forschte, wo alle Wahrheit verborgen war, stieß er außerdem auf Angst. Die trug er schon seit der Kindheit mit sich herum, genauso wie den Wunsch zu gefallen. Er verfluchte seine Schwäche, nur konnte er nichts tun. Sich seinem Vater anzuvertrauen war ausgeschlossen. Seine Mutter wäre verständnisvoller, aber nicht einmal sie mit ihrem sentimentalen Herzen könnte einer Heirat mit Floriana zustimmen, selbst wenn sie im richtigen Alter wäre.
Dante gab Floriana Geld, damit sie ihn vom öffentlichen Telefon anrufen konnte, und versprach, sich eine Lösung zu überlegen. Leider hatte er keine Ahnung, wie er die Situation lösen sollte. Könnte er doch nur weggehen und in sein altes Leben zurück – aber das ging nicht mehr. Er liebte Floriana, und dass sein Kind in ihr heranwuchs, machte ein Weggehen unmöglich. Er war für die beiden verantwortlich. Nie zuvor war ihm seine Pflicht so entsetzlich schwer erschienen.
Er verfluchte sich, weil er nicht den Mut hatte, durchzubrennen und irgendwo anders neu anzufangen. Aber eine Heirat war unmöglich, egal wie er es betrachtete. Er könnte Floriana in einer Wohnung irgendwo in der Nähe von Mailand unterbringen, damit sie heimlich gebären konnte, aber was dann? Die Zukunft sah für sie beide finster aus. Dante hielt seinen Wagen am Straßenrand gleich außerhalb von Herba an, lehnte seine Stirn aufs Lenkrad und schloss die Augen. Was hatte er sich gedacht? Er hätte sich niemals in Floriana verlieben dürfen. Die Geschichte war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Bilder wirbelten durch seinen Kopf, die beständig größer und verzerrter wurden: der Skandal, der Zorn seines Vaters, die Enttäuschung seiner Mutter; Florianas Hoffnungen, die wieder einmal zerschlagen wurden. Das alles war unerträglich furchtbar.
Dann schien ein winziger Hoffnungsschimmer inmitten der Dunkelheit auf.
Dante setzte sich auf und starrte hin. Und je mehr er hinsah, umso größer wurde das kleine Leuchten, bis er sicher war, dass es ihm den Weg weisen würde. Er wendete den Wagen und fuhr zurück nach Herba.
Pater Ascanio war überrascht, Dante zu sehen. Die Familie war längst wieder in Mailand und kam normalerweise nicht vor dem nächsten Sommer wieder her. Als er die gequälte Miene des jungen Mannes sah, war er sicher, dass es einen Todesfall in der Familie gegeben hatte und Dante hergekommen war, um ihn persönlich zu informieren.
»Mein Sohn, was ist passiert?«
»Ich muss dringend mit Ihnen sprechen«, antwortete Dante.
»Ja, natürlich. Bitte.« Der Priester ging voraus in die kleine Seitenkapelle, in der er vor gar nicht so langer Zeit Floriana gesagt hatte, dass ihre Liebe zu nichts führen konnte. Sie setzten sich. Dante atmete tief ein. Er bemerkte einen leichten Alkoholgeruch, der von hinter ihm kommen musste, und drehte sich um. Er wollte sichergehen, dass sie allein waren. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Pater Ascanio ruhig und freundlich.
»Ich stecke in schrecklichen Schwierigkeiten, Pater. Ich habe gesündigt.« Dante stützte seinen Kopf in die Hände.
»Keine Angst. Gott vergibt jenen, die bereuen.«
»Oh, das tue ich. Ich bereue meine Tat von ganzem Herzen.«
»Möchten Sie nicht lieber in den Beichtstuhl gehen?«
Dante richtete sich auf und sah den Priester verzweifelt an. »Nein. Ich
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