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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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dem Künstler?«
    »Weiß ich nicht. Das bestimmt Jake.«
    »Tja, also wenn’s anständig gemacht werden soll, wisst ihr ja, auf mich ist Verlass.«
    »Danke, Bertha.« Marina ging zur Tür.
    »Rede mal mit Jake. Meinetwegen kann er mich für den ganzen Sommer für das Zimmer einteilen.« Sie watschelte zum Kessel und füllte ihn. »Diesen albernen Zimmermädchen würde ich nicht trauen, dass sie ihre Arbeit machen. Er ist ein hübscher Bursche, und die bringen sich womöglich in Schwierigkeiten.« Sie warf Marina einen unheilvollen Blick zu. »Man weiß ja, wie die jungen Dinger heute sind. Viel zu freizügig mit dem, was sie zu bieten haben.«
    Harvey und Marina lachten auf dem Weg hinüber zum Hotel. Die Frau war einfach zu absurd.
    »Ich wusste nicht, dass es Kleider in solchen Größen gibt«, sagte Marina. »Oder so geschnitten. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was der Rest meiner Angestellten trägt. Sind denn alle verrückt geworden?«
    Sie betraten das Hotel und fanden Rose und Jennifer an der Rezeption vor. An ihrer Kleidung war nichts außergewöhnlich, aber sie hatten eindeutig mehr Make-up als sonst aufgelegt.
    »Er ist im Speisesaal«, sagte Jennifer sofort.
    »Schön.«
    »Er sitzt beim Brigadier.«
    Marina runzelte die Stirn. »Ah, okay.«
    »Den alten Brigadier wird er mögen«, sagte Harvey, als sie durch die Empfangshalle gingen. »Solche Leute kennt man in Argentinien nicht.«
    »Was weißt du über Argentinien, Harvey?«, fragte Marina lachend.
    »Dass man da Männer vom Kaliber des Brigadiers nicht kennt.«
    Rafa saß tatsächlich beim Brigadier an dessen üblichem Fenstertisch. Die beiden unterhielten sich angeregt, doch als sie Marina kommen sahen, standen sie beide auf.
    »Bitte, bleiben Sie sitzen«, sagte sie mit Blick zum Brigadier, der erst halb stand und wieder zurück auf seinen Stuhl sank. »Sie haben sich schon kennengelernt, wie ich sehe.«
    »Ein faszinierender junger Mann«, verkündete der Brigadier begeistert. »Sein Vater war im Krieg – auf der anderen Seite.«
    »Und dann emigrierte er nach Argentinien, um es zu vergessen«, ergänzte Rafa.
    »Ich will nichts vergessen. An dem Tag, an dem ich das vergesse, kann man mich genauso gut gleich begraben. Es waren die besten Tage meines Lebens.«
    »Nein, Ihr Leben ist heute schön«, erwiderte Rafa.
    »Nicht so schön wie früher, junger Mann«, kicherte der Brigadier ein bisschen traurig.
    »Aber die Vergangenheit ist bloß eine Erinnerung, die Zukunft ein Ahnung. Die einzige Realität ist das Jetzt.« Rafa schaute sich im Raum um. »Und Sie sind hier an einem herrlichen Ort, essen ein köstliches Frühstück. Daran ist doch eigentlich nichts verkehrt.«
    »Ist es schlimm zu träumen?«, fragte Marina.
    »Natürlich nicht, solange einen die Träume nicht unglücklich machen.«
    »Ich habe meine Luftschlösser aufgegeben, als ich zu alt wurde, um sie instandzuhalten. Heute reicht mir meine bescheidene Hütte«, sagte der Brigadier.
    »Sie sind im Herzen jung«, entgegnete Rafa freundlich.
    »Meines ist ein altes Herz, und nichts lässt es so sicher schlagen wie das Geräusch von Kanonendonner und der Geruch der Schlacht.« Er richtete seine feuchten Augen gen Zimmerdecke und schniefte. »Oder das hübsche Gesicht meines Mädchens.«
    Rafa spürte, dass das »Mädchen« des Brigadiers mit seinem Vater dort oben war und mitfühlend auf den wehmütigen Brigadier hinunterschaute. »Sie ist immer noch hier«, sagte er leise.
    »Oh, das weiß ich. Fünf Jahre sind es inzwischen – fünf lange Jahre. Manchmal kann ich sie fühlen, oder es ist meine Fantasie, die einem traurigen alten Mann Streiche spielt.«
    »Sicherlich nicht«, mischte Marina sich ein. »Sie müssen glauben, was Sie fühlen.« Sie wandte sich zu Rafa. »Wie sehen Ihre Pläne für heute aus?«
    »Er bringt mir malen bei«, sagte der Brigadier.
    »Wirklich?«
    »Oh ja. Er denkt, dann fühle ich mich wieder jung.«
    »Wenn das so ist, sollten Sie uns allen malen beibringen.« Marina lachte.
    »Jederzeit gern.«
    »Gibt es noch andere Teilnehmer?«
    »Nein, nur der Brigadier. Wir wollen im Garten malen.«
    »Schön.«
    »Wir werden einen Baum malen.«
    »Einen Baum?«
    »Ja«, bestätigte Rafa ziemlich entschieden. »Einen Baum.«
    Clementine hatte so gut wie seit Langem nicht geschlafen. Gestern Abend hatte sie einen Anruf von Joe auf ihrem Handy weggedrückt und es ausgeschaltet. Rafa war gegen elf aus dem Garten gekommen, und sie hatten bis Mitternacht im Wintergarten

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