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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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nicht!«
    »Was es auch sein mag, ich werde es verstehen. Ich kenne dich so gut, Marina. Nichts, was du tun könntest, wird mich davon abbringen, dich über alle Maßen zu schätzen.«
    »Ich habe es keinem erzählt, nicht mal Grey.«
    Harvey überlegte. Es war etwas Wildes an ihr, das er zuvor nie gesehen hatte. In ihren Zügen blitzte eine Marina auf, die er nicht wiedererkannte. »Wenn du dich mir anvertrauen möchtest, verspreche ich dir, es niemandem zu erzählen.« Seine Worte waren wie ein Seil, das einer Ertrunkenen zugeworfen wurde, und Marina ergriff es mit beiden Händen.
    »Ich vertraue dir, Harvey.«
    »Ich weiß.«
    Sie holte tief Luft, im Begriff, die bleierne Last ihres Geheimnisses endlich abzuladen.
    Plötzlich wurde an die Tür geklopft. Beide starrten einander entsetzt an, wie Verschworene, die bei einer üblen Intrige ertappt wurden. Und sie konnten nichts tun. Der Moment war vorüber. Als die Tür aufging, strömte sämtliche Luft aus dem Zimmer und mit ihr all die Anspannung, die sich beständig gesteigert hatte. Marinas Entschlossenheit fiel in sich zusammen wie ein Soufflé. Sie richtete ihre blutunterlaufenen Augen auf ihren Stiefsohn in der Tür.
    »Entschuldigung, stör ich gerade?«, fragte Jake. Er war an die sprunghaften Stimmungen seiner Stiefmutter gewöhnt und nicht im mindesten überrascht, sie heulend an Harveys Schulter vorzufinden.
    »Nein, schon gut«, sagte sie und wischte sich die Wange mit dem Handrücken ab.
    »Wir haben eben eine Buchung von Charles Reuben bekommen.«
    Marina wurde blass.
    »Der Charles Reuben?«
    »Ja, für zwei Nächte mit seiner Frau Celeste.«
    »Wirklich?«
    »Ich dachte, das willst du gleich hören.«
    »Hast du es deinem Vater gesagt?«
    »Der ist weg.«
    »Wann kommen sie?«
    »Am zwölften Juni, ein Freitag.«
    Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Es kann nur einen Grund geben, weshalb er hier bucht.«
    »Um das Hotel anzugucken?«, fragte Jake.
    »Ja, mit der Absicht, es zu kaufen.«
    Harveys Miene verfinsterte sich. »Wer ist das?«
    »Ihm gehören einige der besten Hotels weltweit«, antwortete Marina.
    »Gütiger Himmel«, seufzte Harvey. »Denkst du, dass er unseres will?«
    »Kann sein. Warum sonst würde er herkommen?«
    »Warum schickt er keinen Handlanger?«, fragte Jake. »Ich meine, wozu die Mühe, selbst anzureisen?«
    »Ach, das überrascht mich nicht. So ist Charles Reuben eben, berühmt für Mikromanagement. Wahrscheinlich will er uns einfach mal kennenlernen.«
    »Was sollen wir machen?«, fragte Jake, der sich die Stirn rieb.
    »Wir behandeln ihn genauso wie unsere anderen Gäste«, sagte Marina mit eiserner Entschlossenheit.
    »Und wenn er uns ein Angebot macht, das wir nicht ablehnen können?«
    »Dass man etwas ›nicht kann‹, gibt es nicht, Jake.« Sie stand auf. »Die Lektion hat mich das Leben gelehrt, und ich hatte sie beinahe vergessen. Das passiert mir nicht noch mal.«
    Vom Zedernbaum her wehte Lachen über den Rasen.
    »Oh, Sie haben einen solch königlichen Humor, Brigadier«, sagte Pat und tunkte ihren Pinsel in grüne Farbe.
    Der Brigadier betrachtete die vier Frauen vor ihren Staffeleien und entschied, dass sie eigentlich eine recht angenehme Gesellschaft für einen alten Kerl waren, der genug davon hatte, immer allein zu sein.
    »Benimm dich lieber, Pat«, sagte Grace. »Der Lehrer kommt.« Pat kicherte leise vor sich hin, als Rafa hinter sie trat und sich ihre Fortschritte ansah.
    »Nicht schlecht«, sagte er, wobei er sich das Kinn rieb. »Ich kann die Fröhlichkeit und Nostalgie in Ihrem Baum erkennen.«
    »Ach wirklich?«, fragte sie erstaunt.
    »Ja, wirklich.«
    »Mich erinnert er an meine Kindheit«, erklärte Pat wehmütig. »Das Einzige, was mich von der Pat trennt, die ich damals war, ist mein klappriges altes Gestell. Innen drin fühle ich mich noch ganz genauso.«
    »Ich versuche, möglichst nicht in den Spiegel zu sehen«, sagte Veronica.
    »Sie sind sehr still, Jane«, bemerkte der Brigadier.
    »Ich konzentriere mich«, antwortete sie.
    »Darf ich mal sehen? Ich müsste kurz meine Beine strecken.«
    »Wenn es sein muss. Es ist nicht besonders gut.«
    Der Brigadier stand auf und humpelte zu ihr hinüber. Als er neben ihr stand, nahm er eine warme Rosennote war. Prompt atmete er tiefer ein, um mehr von ihr zu riechen, doch der Wind wehte den blumigen Duft fort, ehe er die Brigadiersnase erreichte. Er blickte auf ihr Bild. »Das ist mehr als gut«, murmelte er. In den milchigen Rosa- und Grautönen

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