Derek Landy
Und ab und zu versetze ich
dir einen kräftigen Stoß, damit das Leben nicht langweilig wird und du nicht zu
weit von deinem Weg abkommst."
"Ich werde nie Darquise werden."
"Du warst schon Darquise, Wallie, für drei Minuten, und
es war herrlich. Und ich verstehe jetzt, weshalb sie auf meine Brüder und
Schwestern losgegangen ist. Darquise tötet wahllos. Sie ist eine echte
Vernichtungsmaschine. Wenn sie sich das nächste Mal zeigt, habe ich nicht vor,
in ihrer Nähe zu sein."
"Vorher sterbe ich", sagte Walküre. "Ich
bringe mich um.
"Nein", widersprach Tanith. "Das tust du
nicht." "Ich würde lieber sterben, als meiner Familie etwas
anzutun."
"Aber du wirst nicht Selbstmord begehen. Dazu hast du
nicht das Zeug."
"Du weißt nicht, wozu ich alles das Zeug habe."
"Aber bald werden wir es wissen", meinte Tanith
lächelnd. "Wie geht es übrigens meiner Familie? Meiner anderen
Familie?"
"Die Restanten sind eingefangen und weggeschlossen
worden. Wir suchen einen neuen Ort, an dem wir sie unterbringen können. Du
wirst sie nie finden."
"Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber das liegt
alles noch in der Zukunft, nicht wahr? Auf das alles können wir uns noch
freuen. Für den Augenblick jedoch, im Hier und Jetzt, können wir nichts weiter
tun, als uns an der Zeit zu freuen, die uns noch bleibt." Sie breitete die
Arme aus. "Komm, lass dich umarmen."
Walküre rührte sich nicht vom Fleck und schließlich ließ
Tanith die Arme wieder sinken.
"Du musst wirklich lockerer werden, weißt du das? Ich
bin total locker geworden, seit ich diese andere Sichtweise habe. Jetzt will
ich nur noch meinen Spaß haben."
"Tanith, bitte", versuchte Walküre es, "wir
sind deine Freunde. Ich bin deine Freundin. Ich liebe dich wie eine
Schwester."
"Und ich liebe dich, Wallie. Wirklich und wahrhaftig. Früher,
als ich noch ich war, allein in meinem Körper, ohne den Restanten, warst du der
liebste Mensch auf der ganzen Welt für mich. Ich wäre für dich gestorben. Und
jetzt, mit dem Restanten in mir, liebe ich dich sogar noch mehr. Jetzt würde
ich für dich töten."
Walküre konnte nicht anders. Sie begann zu weinen. "Ich
weiß, dass du niemandem etwas tun willst."
"Doch." Tanith lächelte. "Nichts will ich
lieber."
"Ich will meine Freundin wiederhaben. Ich will meine
Schwester wiederhaben. Ich will nicht, dass du der Feind bist."
"Ach Wallie, in ein paar Wochen hast du wahrscheinlich
eine richtige Schwester, eine leibliche Schwester. Dann brauchst du mich nicht
mehr. Und ich komme damit klar. Es fällt mir nicht schwer, Freunde zu finden.
Apropos Freunde - darf ich dir meinen neuen Freund
vorstellen?"
Die Mauer neben ihr bekam Risse, dann ein Loch, und
Billy-Ray Sanguin trat heraus. Walküre wich instinktiv zurück, doch er
beachtete sie kaum. Tanith wandte sich ihm zu und sie küssten sich. Walküre
erstarrte innerlich. Ein Kuss, ein einfacher Kuss bewirkte mehr als jede
Gewaltdemonstration. Jetzt war Tanith wirklich verloren.
"Schau nicht so bestürzt", sagte Sanguin und da
erst merkte Walküre, dass er sie angrinste. "Ich pass gut auf sie
auf."
"Danke, Süßer." Tanith lehnte ihren Kopf an seine
Schulter. "Kannst du uns hier wegbringen?"
"Wenn du noch etwas von diesem Schmerzmittel hast, mein
Zuckerschnütchen."
Tanith griff in ihre Tasche, holte ein Blatt heraus, das
Sanguin sich in den Mund steckte und kaute. "Okay", meinte er nach
einer Weile. "Ich bin so weit."
Walküre beobachtete, wie sie sich an die Wand stellten.
Hinter ihnen breiteten sich Tausende winziger Risse aus. Sanguin ging als
Erster. Die Mauer verschluckte ihn.
"Wir bleiben euch auf den Fersen", drohte sie.
"Das weiß ich", entgegnete Tanith. "Wozu sind
Freunde da? Oh, noch etwas, Wallie: ein gutes neues Jahr!"
Die Wand verschluckte auch sie und Walküre war allein.
DIE RÜCKKEHR
Tesseract verstand nicht, worum alle so viel Aufhebens
machten - so kalt war es nun wirklich nicht. In Russland war es kalt. In Teilen
von Sibirien war es sogar ausgesprochen kalt. Aber in Irland herrschten im
Winter praktisch tropische Temperaturen.
Er freute sich darauf, nach Hause zu kommen. Viel zu viel
Zeit hatte er hier verbracht, war wieder und wieder aufgehalten worden. Doch
jetzt stand seine Rückreise kurz bevor. Eine letzte Sache musste er noch
erledigen, dann konnte er Irland den Rücken kehren.
Tagelang beobachtete er die Qual nun schon, aber der alte
Herr ließ sich nie alleine blicken. Syc und Portia waren immer bei ihm und
manchmal schlenderte
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