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Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß

Titel: Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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»keltischer« Staat schon das obere Monferrat auslassen (soll heißen, den weiter unten lie-genden Teil), er müßte auf ganz Ligurien und das Veneto verzichten und könnte sich höchstens noch die Emilia nehmen. Und wäre die Unterscheidung eine rein geogra-phische (nur die Poebene), dann müßte das Ganze neu eingeteilt werden, womöglich indem man im Osten bis Comacchio geht und schon den Apennin bei Modena ausläßt.
    In jedem Fall aber würde man nicht verstehen, wieso der neue Staat Padanien die Toskana, die Marken und Umbri-en mit umfassen soll. Sieht man von den Etruskern ab, die sich inzwischen mit ein paar Chromosomen da- und dorthin verstreut haben, sind dies italische Regionen. Infolgedessen würde Padanien zu einem guten Teil aus Völker-schaften bestehen, die, gerade wenn es nie Italiener gegeben hat, die italischsten von allen sind und nichts mit den Kelten zu tun haben.
    Spricht man dann aber in Begriffen von Blut und Rasse (was, wenn ich nicht irre, ein Lieblingsthema von anderen war, die unser Jahrhundert ins Verderben gestürzt haben), so muß man sagen: wenn es stimmt, daß im tiefsten Süden später zwar die Araber ankamen, aber auch die Normannen und die Franzosen, während im obersten Teil des Nordens sich sehr bald die quadrierten Legionen Roms in-75
    stallierten, zu denen auch die Vorfahren derer gehörten, die wir heute Neapolitaner oder Kalabrier nennen, dann könnte es sein, daß ein Sizilianer mit blauen Augen (und davon gibt es viele) mehr nordisches Blut als Bossi hat, der von einem sexprotzerischen Legionär sizilianischer Herkunft abstammen könnte, der sich, stationiert in Ber-gomum, mit einer lukanischen Dame vergnügt hätte, die berufsmäßig das Heer begleitete. Während eine meiner li-gurischen Ahninnen sich mit einem Verwandten von Aste-rix gepaart haben könnte, so daß ich keltischer wäre als Bossi.
    Wenn man eine keltische Einheit rekonstruieren will, müßte Padanien eine Partnerschaft mit den Galatern in Kleinasien eingehen und man müßte Bossi darauf hinweisen, daß die Kelten bis Istanbul gelangt sind. Und so hätte er, um die Sizilianer loszuwerden, sich die Türken ins Haus geholt! Natürlich beschwöre ich hier ein rassistisches Stereotyp, denn ich sehe nicht ein, wieso man in Padanien nicht auch all jene Türken willkommen heißen sollte, die heute fließend Deutsch sprechen, was bekanntlich eine erstklassige Lingua franca ist.
    Wodurch wird nun aber dieses Mosaik von Ethnien, das sich Italien nennt, zu einer Einheit? Auch wenn man ein mythisches Bild der Kelten vorschlägt (doch um sie so sehr zu lieben, wie ich es tue, macht man besser eine Reise nach Irland), ist wirklich nicht einzusehen, warum ein Toskaner oder ein Umbrier sich damit identifizieren soll.
    Italiens Bedeutung ist eine rein kulturelle, keine rassische, ihre Wurzeln sind das römische Erbe, eine Sprache, die (zumindest auf literarischer Ebene) sowohl von Cielo d’Alcamo wie von Bonvesin de la Riva gesprochen wird, die Präsenz der Kirche, die natürliche Barriere der Alpen, ein politisches Ideal, das mit Dante, Petrarca und Machiavelli begann, hundertvierzig Jahre staatlicher Einheit, die 76
    eine gewisse Homogenität des Verhaltens über den ganzen Stiefel verbreitet hat, im Guten wie im Schlechten (von der Schul- und Hochschulreform Gentiles bis zur Fremd-tümelei, vom Salesianer-Oratorium bis Tangentopolis, von der großen Oper bis zum Schlagerfestival von San Remo).
    Aber vielleicht hat die Schule dies alles früher nur uns beigebracht, und den Grünhemden hat sie nichts davon gesagt. Dann würde die Sache anfangen, wirklich ernst zu werden.
    1996
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    Bossi ist kein Gallier wie ich
    Mit einer Gruppe von Freunden aus verschiedenen Ländern bereiten wir seit Jahren ein Handbuch vor, das die Kinder der ganzen Welt zur Toleranz erziehen soll, und das erste Problem ist dabei, zu erklären, wieso man die Andersartigkeit tolerieren kann und muß. Jawohl, denn zunächst muß man offen sagen, daß es Andersartigkeit gibt. Haben die Menschen einerseits alle das gleiche Herzkreislaufsystem, so haben sie andererseits nicht nur verschiedene Hautfarben, sondern selbst wenn sie die gleiche haben, verhalten sie sich auf unterschiedliche Weise je nach den Sitten und Gebräuchen.
    Auf einem Kongreß letztes Jahr in Siena hatte der Althi-storiker Zvi Yavetz aus Tel Aviv daran erinnert, wie gefährlich es sein kann, den Kindern diese Unterschiede zu ver-bergen (da sie später merken würden, daß wir gelogen

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