Des Abends eisige Stille
hier?«
»Schwer zu sagen. Die Leiche war teilweise freigelegt, wir hatten ein paar Frostnächte und dann starken Regen … Ich kann mehr dazu sagen, wenn ich sie im Obduktionssaal habe.«
»Könnten es drei Wochen sein, vielleicht weniger?«
»Unwahrscheinlich.«
Der Pathologe blinzelte wie eine Eule aus der weißen Kapuze seines Anzugs, die mit Bändern unter dem Kinn zugeschnürt war. Er stand in dem flachen Grab neben der Leiche.
»Aber egal, wie lange, es ist sowieso nicht euer vermisster Schuljunge.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil es ein Mädchen ist. Fehlt Ihnen eines?«
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46
D er Konferenzraum war bereits vollbesetzt mit Medienleuten. Der DCI kam mit forschen Schritten herein, wobei seine Haltung verriet, dass er auf Angriff eingestellt war, nicht auf Verteidigung. Er macht den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben und zuversichtlich zu sein, dachte Nathan auf dem Weg zu seinem Platz, obwohl er das gar nicht ist.
»Vielen Dank allerseits. Also … wir brauchen Ihre Mithilfe. Heute Morgen wurde in der Gardale-Schlucht die Leiche eines Kindes gefunden. Sie lag in einem Grab, bedeckt mit Gestrüpp und Blättern. Es ist die Leiche eines Mädchens, etwa acht bis zehn Jahre alt. Die Todesursache war ein Schädelbruch, möglicherweise noch andere Verletzungen. Weitere Informationen können wir Ihnen nicht geben, weil wir keine haben. Zahnarztunterlagen, sollten sich welche finden, werden natürlich überprüft … Die Leiche war nackt, bisher wurden keine Kleidungsspuren gefunden. Die ganze Schlucht wurde abgesperrt und wird durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt gibt es keine Verbindung zwischen dem Fund dieser Leiche und dem Verschwinden des neunjährigen David Angus, aber es gibt auch keinen Beweis des Gegenteils. Wir haben noch keine Hinweise zu dem Aufenthaltsort von David.
Wir möchten die Öffentlichkeit mit einbeziehen. Um diese Jahreszeit geht kaum jemand in die Gardale-Schlucht, wie Sie wissen, daher ist jedes geparkte Auto, das in diesem Gebiet gesehen wurde … jedes Fahrzeug … von Bedeutung. Auf dem Moor wird zu jeder Jahreszeit gewandert, wenn also Wanderer oberhalb der Schlucht jemanden mit einem Kind dieses Alters gesehen haben, wäre auch das von größter Wichtigkeit. Uns liegt keine Vermisstenanzeige von einem Kind dieses Alters aus der Gegend vor. Wir stehen in Verbindung mit anderen Dienststellen, aber auch da liegt bisher nichts vor.
Gut, haben Sie irgendwelche Fragen?«
Der Raum explodierte, wie Simon es vorausgesehen hatte. Warum war David Angus noch nicht gefunden worden? Noch ein vermisstes Kind – wann würde das nächste folgen? Welche Anstrengungen …? Würde jemand von außerhalb der Polizei …? Veränderte es die Sachlage …? Könnte der DCI etwas zum Selbstmord von …?
Er antwortete rasch und ohne auszuweichen oder seine Enttäuschung über die mangelnden Fortschritte im Fall David Angus oder seine Betroffenheit über den Fund einer weiteren Kinderleiche zu verbergen. Die Journalisten mögen Serrailler, dachte Nathan Coates. Sie merkten, wenn man sie mit Geschwafel hinhielt, sie waren Experten darin, Schwachpunkte aufzugreifen, und in einem Fall wie diesem brodelte es immer unter der Oberfläche. Die Medien könnten sich sehr schnell gegen die Polizei wenden, vor allem, wenn sie spürten, dass die Öffentlichkeit hinter ihnen stand, doch noch waren sie auf ihrer Seite. Sie vertrauten dem, was ihnen gesagt wurde, sie wussten es zu schätzen, so früh und umfassend informiert worden zu sein.
Die Fragen verstummten allmählich, und der Raum leerte sich.
Die Geschichte machte innerhalb einer halben Stunde örtliche Schlagzeilen und war weitere dreißig Minuten später in den nationalen Radionachrichten.
Während die Anrufe eintrafen – »Bekloppte und Wichtigtuer zuerst«, wie Nathan sich ausdrückte – und von den Telefonmannschaften ausgewertet wurden, fuhr Simon nach Bevham zur Obduktion. Er wollte alles über die Kinderleiche in Erfahrung bringen, und er wollte raus aus dem Revier. Als er aus Gardale zurückgekommen war, hatten zwei weitere E-Mails von Diana auf ihn gewartet. Gestern Abend hatte sie ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen. Er war wütend. Außerdem konnte er es nicht leiden, untätig auf dem Revier herumzusitzen. Von Bevham aus wollte er zurück in die Schlucht, und er wusste, dass er auch zu Marilyn Angus musste.
Jonathan Nimmo war bereits bei der Arbeit. Die Kinderleiche lag auf dem Obduktionstisch, mitleiderregend
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